DEUTSCHER SPRACHRAUM


Die Augen der Mumie Mâ
Originaltitel: Die Augen der Mumie Mâ
Produktion: Deutschland, 1918 
(Schwarzweiss)
Projektions-AG Union (PAGU)
Regie: Ernst Lubitsch.
Cast: Max Laurence, Harry Liedtke, Emil Jannings, Pola Negri, Margarete Kupfer.
58 Minuten (NTSC)
Zwei Europäer, der junge Maler und Student Albert Wendland sowie der reiche Prinz Hohenfels besuchen unabhängig voneinander in Ägypten das unheimliche Grab der Königin Ma, welches schon manch früheren Besucher verrückt werden liess. Wendland jedoch findet nur eine verängstigte junge Frau vor, die unter der Fuchtel des Grabwächters Radu dort lebte. Er nimmt sie mit nach Europa und heiratet sie. Die beiden wissen nicht, dass Radu ebenfalls nach Europa kam und auf Rache sinnt — um seine Pläne zu verwirklichen, hat er sich bei Prinz Hohenfels als Diener eingeschlichen.
Ein früher Stummfilm des deutschen Regisseurs Ernst Lubitsch, der entgegen seines Titels ganz ohne Mumie auskommt. Es kann darüber spekuliert werden, ob der vier Jahre vor der spektakulären Entdeckung des Grabes von Tut-Ench-Amun (1922) gedrehte Film jemals wirklich als Horrorfilm konzipiert war. Sicher ist, dass auch ohne amoklaufende Mumie der Araber Radu, unterwegs mit mörderischen Absichten, für Schrecken sorgt. Ernst Lubitsch ("Sumurun", "Blaubarts achte Frau") erreichte später mit Filmen wie "Ein himmlischer Sünder" (1943) weltweite Anerkennung. Auch die gebürtige Polin Pola Negri (die junge Frau im Grab der Ma, später im Film auch "Ma" genannt), versuchte ihr Glück in Hollywood. Dies ist sicher einer der schwächeren und unbedeutenderen Grusel-Stummfilme, doch irgendwie widerstrebt es, Schlechtes zu schreiben über so einen alten Film.




Unheimliche Geschichten
Originaltitel: Unheimliche Geschichten
Produktion: Deutschland, 1919 
(Schwarzweiss)
R-Film (Richard-Oswald-Produktion)
Regie: Richard Oswald.
Cast: Anita Berber, Conrad Veidt, Reinhold Schünzel, Hugo Döblin, Paul Morgan, Georg John, Bernhard Goetzke, Richard Oswald, Hans Heinrich von Twardowski.
99 Minuten (PAL)
Um Mitternacht erwachen in einem Buchantiquariat die Motive von drei Gemälden zum Leben: Die Dirne, der Teufel und der Tod. Sie beginnen damit, einander fünf Gruselgeschichten vorzulesen. In "Die Erscheinung" rettet ein Mann eine Frau vor ihrem verrückten Ex-Ehemann, der sie stalkt. Die beiden bekommen getrennte Zimmer im gleichen Hotel, doch am Morgen danach ist die Frau verschwunden und ihr Zimmer nicht wiederzuerkennen. In "Die Hand" tötet ein Mann seinen Nebenbuhler, als es um die Gunst einer schönen Tänzerin geht. Fortan wird er von Erscheinungen von dessen Hand verfolgt. "Die schwarze Katze" verrät einen Trunkenbold, der seine von ihm selbst getötete Frau (und die Katze) im Keller einmauert. In "Der Selbstmörder-Klub" tritt ein Mann einem Kartenspieler-Klub bei, wobei derjenige, welcher Pique-Ass zieht, noch in derselben Nacht sterben soll. In "Der Spuk" schliesslich kommt ein unbekannter Adeliger auf ein Schloss, wo sich verrückende Wandbilder als Mutprobe für ihn herausstellen.
Anita Berber, eine Lebefrau und Tänzerin in den frühen Jahren der Weimarer Republik, die 1928 im Alter von nur 29 Jahren verstarb (als die "Dirne"), Reinhold Schünzel (als der "Teufel") sowie der grosse (Stumm-)Filmstar Conrad Veidt ("Das Cabinet des Dr. Caligari", 1920; "Der Dieb von Bagdad", 1940; als der "Tod") spielten die Hauptrollen sowohl in der Rahmenhandlung als auch in allen fünf Segmenten dieses frühen Horror-Episodenfilms des österreichischen Regisseurs Richard Oswald. Ein klassisches Beispiel für einen expressionistischen deutschen Stummfilm, ist "Unheimliche Geschichten" auch für sein Entstehungsjahr (1919) technisch noch relativ krude und statisch umgesetzt, mit einer Kamera, die minutenlang ohne Szenenwechsel auf dasselbe Set hält. Highlights sind die erste Episode "Die Erscheinung" mit einem überraschenden Ausgang, einige Szenen aus "Die schwarze Katze" (nach Edgar Allan Poe) sowie "Der Selbstmörder-Klub" (nach Robert Louis Stevenson). Richard Oswalds selbst beigesteuerter Abschluss "Der Spuk" ist eher komödiantisch gespielt und kaum mehr als ein Zeitfüller. Leider ist das Kameranegativ verschollen und sind einige Meter des Stummfilms auf der Strecke geblieben. Richard Oswald inszenierte 1932 auch den frühen Tonfilm "Fünf unheimliche Geschichten", in dem er teilweise auf Motive seiner Stummfilm-Anthologie zurückgriff.



Genuine — Die Tragödie eines seltsamen Hauses
Originaltitel: Genuine  /  Genuine — Die Tragödie eines seltsamen Hauses
Produktion: Deutschland, 1920 
(Schwarzweiss/viragiert)
Decla-Bioscop AG
Regie: Robert Wiene.
Cast: Fern Andra, Hans Heinrich von Twardowski, Ernst Gronau, Harald Paulsen, Albert Bennefeld, John Gottowt, Lewis Brody (Louis Brody).
88 Minuten (PAL/französische Fassung)
Der Maler Percy hat sein Meisterwerk vollendet, eine Darstellung der Hohepriesterin Genuine aus einer alten Legende, von der er in einem geheimnisvollen Buch gelesen hat. Sein Grossvater Lord Melo ist daran interessiert, das Gemälde zu kaufen, doch Percy wimmelt ihn ab. Über seiner Lektüre schläft er ein und verpasst, wie Genuine lebendig wird und seinem Gemälde entsteigt. In einem Alptraum sieht er, wie sie von einem feindlichen Stamm geraubt und auf einem orientalischen Sklavenmarkt feilgeboten wird. Der exzentrische Lord Melo tritt als Käufer in Erscheinung; er nimmt Genuine mit zu seinem seltsamen Haus, wo er sie in einen bizarren Garten führt, über dem er selbst residiert. Zu Melos Haus hat neben dessen Diener nur der alte Barbier Guyard Zutritt, der jeden Tag antraben muss. Eines Tages jedoch ist Guyard verhindert, statt ihm kommt sein Neffe Florian, um Melo zu rasieren. Zur selben Zeit entdeckt Genuine einen Ausgang aus dem Garten. Sie bringt Florian dazu, Melo in Trance zu töten — anschliessend verfällt er ihr mit Haut und Haar. Als Beweis für seine Liebe soll er sich für sie töten. Bald macht ausserhalb des Hauses das Gerücht einer Hexe die Runde.
1919-1920 drehte Regisseur Robert Wiene den Horror-Stummfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari", der heute als Meisterwerk und Paradebeispiel des expressionistischen deutschen Stummfilms gilt. "Genuine" entstand direkt im Anschluss an "Caligari", konnte jedoch dessen Erfolg nicht wiederholen und fiel bei Kritikern und Publikum gleichermassen durch. Die Kostüme, Kulissen und Sets des Malers und Bühnenbildners César Klein waren noch wilder als jene von "Caligari" und wurden stellenweise ins Groteske überzeichnet; der Handlung zu folgen ist streckenweise eine Herausforderung. "Genuine" wird oft als früher Vertreter des Vampirfilms angeführt (der Film hatte mit "Genuine: The Tale of a Vampire" auch einen entsprechenden englischen Titel), jedoch verstand man zur damaligen Zeit unter dem Begriff "Vampir" nicht zwingend den heute geläufigen Blutsauger, sondern oft eine "femme fatale" oder Hexe — Genuine trinkt denn auch kein Blut in diesem Film, der notabene zwei Jahre vor "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" (1922) entstand. Dafür ist der Film erstaunlich freizügig — inklusive blanker Brüste auf dem Sklavenmarkt. Hauptdarstellerin Fern Andra (1894-1974) war zwar Amerikanerin, trat jedoch in vielen deutschen Filmen dieser Zeit auf. Die komplette Fassung von "Genuine" ist nicht verschollen oder verloren, wie es auf verschiedenen Internet-Seiten zu lesen ist; zumindest eine französische Fassung (Lauflänge: 88'20'' Minuten) ist komplett oder nahezu komplett erhalten. Eine "Wiederentdeckung" und Restauration dieses fast vergessenen Films eines grossen Regisseurs wäre auf jeden Fall wünschenswert.



Der müde Tod
Originaltitel: Der müde Tod  /  Der müde Tod. Ein deutsches Volkslied in sechs Versen.
Produktion: Deutschland, 1921 
(Schwarzweiss/viragiert)
Decla-Bioscop AG
Regie: Fritz Lang.
Cast: 
Lil Dagover, Walter Janssen, Bernhard Goetzke, Hans Sternberg, Karl Rückert, Max Adalbert, Wilhelm Diegelmann, Erich Pabst, Karl Platen, Hermann Picha, Paul Rehkopf, Max Pfeiffer, Georg John, Lydia Potechina, Rudolf Klein-Rogge.
94 Minuten (PAL/restaurierte Fassung 2015)
Nahe einer altdeutschen Stadt begegnet ein junges Liebespaar dem Tod, der in der Gestalt eines sinistren Fremden auftritt und ein Grundstück neben dem örtlichen Friedhof erwirbt, das er mit einer undurchdringbaren, hohen Mauer umgibt. Nach einer Begegnung im Gasthaus nimmt er den jungen Mann zu sich, da "seine Zeit abgelaufen" sei. Als die Frau realisiert, was geschehen ist, nimmt sie einen tödlichen Trunk zu sich, um wieder bei ihrem Geliebten zu sein. Sie begegnet jenseits der hohen Mauer dem Tod, der sich über ihre Anwesenheit wundert. In einem Raum voller Kerzen, die menschliche Lebenslichter darstellen, bittet sie den Tod, der es leid ist, dem Leid der Menschen beizuwohnen bei der Erfüllung seiner Aufgabe (Gottes Auftrag), ihrem Geliebten doch das Leben zurückzugeben. Da zeigt ihr der Tod drei flackernde Lebenslichter, und offeriert ihr damit drei Gelegenheiten, den Menschen, denen sie gehören, das Leben zu retten. Wenn es nur bei einem gelinge, solle sie ihren Geliebten zurückerhalten. Die Aufgabe lässt die junge Frau Episoden im Orient, in Venedig und im fernen Kaiserreich China durchleben, doch kann sie kein einziges der drei Leben retten. Lässt der Tod sich dennoch erweichen, respektive durch die Liebe "besiegen"?
Fritz Langs Horror-Stummfilm "Der müde Tod" erzählt in sechs Akten (Versen) voller Metaphorik und Symbolik die Geschichte einer Frau, die das Leben ihres vorzeitig verschiedenen Geliebten vom personifizierten Tod (der seine "Arbeit" leid ist) zurückzugewinnen versucht. Mit aufwendigen, teils riesigen und bis ins Detail ausgeklügelten Sets und Bauten und Zwischentiteln, von denen jeder für sich schon ein kleines Kunstwerk darstellt, betört der expressionistische Stummfilm aus der Frühzeit der Weimarer Republik (1919-1933) in viragierten Bildern auch nach fast 100 Jahren noch sein Publikum, so fern dieses gewillt und bereit ist, sich darauf einzulassen. Bereits mit "Der müde Tod", in englischen Sprachräumen auch als "Destiny", "Between Two Worlds", "Beyond the Wall", "The Three Lights", "The Tired Death" und "The Weary Death" geläufig, beeinflusste der grosse deutsche Regisseur Fritz Lang, der später zu weiteren Höhenflügen wie "Die Nibelungen" (1924), "Metropolis" (1927) oder "Frau im Mond" ansetzen sollte, die Kinolandschaft weit über Deutschland hinaus — so soll dies etwa Alfred Hitchcocks erklärter Lieblingsfilm gewesen sein.



Das Wachsfigurenkabinett
Originaltitel: Das Wachsfigurenkabinett
Produktion: Deutschland, 1923-1924 
(Schwarzweiss/viragiert)
Neptun-Film A.G.
Regie: Paul Leni & Leo Birinsky (& Henrik Galeen).
Cast: Emil Jannings, Conrad Veidt, Werner Krauss, William Dieterle, Olga Belajeff, John Gottowt, Georg John, Ernst Legal.
84 Minuten (NTSC)
Das Wachsfigurenkabinett eines Jahrmarkts beauftragt einen jungen Poeten, spannende und publikumswirksame Geschichten zu den drei berüchtigtsten Figuren des Kabinetts zu schreiben. Darin versucht "Der Kalif Harun al Raschid", einem armen Bäcker die Frau auszuspannen, derweil "Iwan der Schreckliche", Zar von Russland, in seinen Kellerverliesen Unschuldige foltern lässt, bis er selbst auf immer und ewig an der Sanduhr dreht. Schliesslich wird der Poet von der Müdigkeit übermannt und träumt davon, wie "Jack the Ripper" die Angestellte des Wachsfigurenkabinetts entführt, in die der Poet sich längst verliebt hat.
Ein Klassiker des expressionistischen Stummfilms der Weimarer Republik von Paul Leni, der vor seinem frühzeitigen Tod (1929) in die USA übersiedelte und dort Klassiker wie "Spuk im Schloss" ("The Cat and the Canary", 1927), "Der Mann, der lacht" ("The Man Who Laughs", 1928) oder "Die letzte Warnung" ("The Last Warning", 1929) inszenierte. Zusammen mit seinen Co-Regisseuren Leo Birinsky und Henrik Galeen ("Alraune", 1928) schuf er mit "Das Wachsfigurenkabinett" (englischer Titel: "Waxworks") eine enorm einflussreiche frühe Horror-Anthologie, deren erste Episode ("Der Kalif Harun al Raschid") nicht nur Douglas Fairbanks dazu bewogen haben soll, die Hauptrolle in Raoul Walshs "Der Dieb von Bagdad" ("The Thief of Bagdad", 1924) zu übernehmen, sondern die auch ein eigenes "Sub-Subgenre" (wenn man so will) von Horrorfilmen mitbegründen half, deren Handlung sich um Wachsfiguren dreht. So entstanden in der Folgezeit so unterschiedliche Filme wie Michael Curtiz' Horror-Klassiker "Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts" ("Mystery of the Wax Museum", 1933; mit Fay Wray), Lynn Shores' "Charlie Chan im Wachsfigurenkabinett" ("Charlie Chan at the Wax Museum", 1940), André De Toths "Das Kabinett des Professor Bondi" ("House of Wax", 1953; mit Vincent Price und in 3-D), die eher zweitklassigen "Das Wachsfigurenkabinett des Grauens" ("Nightmare in Wax", 1969) von Bud Townsend und "Der Bucklige vom Horror-Kabinett" ("Terror in the Wax Museum", 1973) von Georg Fenady oder der moderne "Mainstream"-Horror-Hit "House of Wax" (2005; unter anderem mit Paris Hilton). Auch "Softcore"-Streifen wie "Erotic House of Wax" ("The Exotic House of Wax", 1996), Splatterfilme ("Reise zurück in der Zeit"/"Waxwork", 1988) und Exoten wie der mexikanische "Santo in The Wax Museum" ("Santo en El museo de cera", 1963) oder der ägyptische "Ismail Yassin at the Waxworks" ("Ismail Yassine fil madhaf el shami", 1957) entstanden in diesem Fahrwasser.



Die Nibelungen: Siegfried
Originaltitel: Die Nibelungen: Siegfried
Produktion: Deutschland, 1922-1924 (Schwarzweiss/viragiert)
Universum Film (UFA)/Decla-Bioscop AG
Regie: Fritz Lang.

Cast: Paul Richter, Margarete Schön, Gertrud Arnold, Hanna Ralph, Theodor Loos, Hans Carl Mueller, Erwin Biswanger, Bernhard Goetzke, Hans Adalbert Schlettow, Hardy von Francois, Georg John, Frida Richard.
150 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung)
Deutschland, in einem märchenhaften Mittelalter: Der junge Siegfried von Xanthen fasst den Entschluss, zum Schloss von Worms am Rhein zu gelangen und dort um die Hand der holden Jungfer Kriemhild, der Schwester des Burgunderkönigs Gunther, anzuhalten. Nachdem er einen Drachen besiegt und in dessen Blut gebadet hat, ist Siegfried nahezu unverwundbar. Er gelangt an den Hort der Nibelungen, einen sagenhaften Schatz, und ist bei seiner Ankunft in Worms ein mächtiger Mann. Gunther macht auf Anraten seines Vasallen Hagen von Tronje eine Heirat Siegfrieds mit Kriemhild davon abhängig, dass Siegfried ihm helfe, die Walküre Brunhild zur Frau nehmen zu können. Zusammen reisen sie zum Schloss von Brunhild, das im fernen Island hinter einem Flammensee liegt. Doch Brunhild nimmt nur zum Manne, wer sie in drei Kampfdisziplinen besiegen kann. Mit einer Tarnkappe erledigt Siegfried diese Aufgabe für Gunther. Eine Doppelhochzeit findet statt; Siegfried und Gunther werden Blutsbrüder. Doch als Brunhild dem Trick auf die Schliche kommt, fordert sie Siegfrieds Tod zur Sühne. Hagen von Tronje erschleicht sich Kriemhilds Vertrauen, um Siegfrieds einzige Schwachstelle in Erfahrung zu bringen.
Fritz Lang ("Frau im Mond", 1928-1929; "M — Eine Stadt sucht einen Mörder", 1931) verfilmte von 1922-1924 die deutsche Volkssage um das Nibelungenlied für die UFA als epischen Zweiteiler mit grossem Aufwand, beeindruckenden Sets und technischen Innovationen wie einem in Lebensgrösse nachgebauten Drachen, einem Schloss, das von einem Flammenmeer umgeben ist oder einer animierten Traum-Sequenz, in der ein von Kriemhild grossgezogener Falke (eine Metapher für Siegfried) von Adlern angegriffen wird. Zwar ist die Kamera noch sehr statisch, doch bereits hier wird deutlich, dass Fritz Lang einer der grossen Regisseure seiner Zeit war. Filme wie dieser (oder auch der sowjet-russische "Der Kampf um das goldene Tor", 1956), beziehungsweise Geschichten wie die Nibelungensage ebneten den Weg für die literarischen Vorlagen der grossen Fantasy-Epen unserer Zeit und deren Kino-Adaptionen wie "Der Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien (Buch: 1954; Film: 2001). Die Nibelungensage wurde diverse weitere Male verfilmt, unter anderem 1966 von Regisseur Harald Reinl, ebenfalls als Zweiteiler.



Die Nibelungen: Kriemhilds Rache
Originaltitel: Die Nibelungen: Kriemhilds Rache
Produktion: Deutschland, 1922-1924 
(Schwarzweiss/viragiert)
Universum Film (UFA)/Decla-Bioscop AG
Regie: Fritz Lang.

Cast: Margarete Schön, Gertrud Arnold, Rudolf Klein-Rogge, Theodor Loos, Hans Carl Mueller, Erwin Biswanger, Bernhard Goetzke, Hans Adalbert Schlettow, Hardy von Francois, Georg Jurowski (Yuri Yurovsky).
131 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung)

Nach dem Tod ihres Mannes 
Siegfried durch den Verrat Hagen von Tronjes  schwört Siegfrieds Wittwe Kriemhild (historisch: Ildico) Hagen tödliche Rache. Sie verlässt Worms am Rhein und ihre Familie, die Nibelungen, im Zorn und zieht gen Osten, um den Hunnenkönig Etzel (Attila), der um ihre Hand angehalten hat, für ihre Rachepläne zu instrumentalisieren. Derweil versenkt Hagen den Hort der Nibelungen im Rhein. Kriemhild heiratet Etzel und bittet ihn darum, die Nibelungen an seinen Hof vorzuladen. Bei dieser Gelegenheit soll Etzel ein Versprechen halten und Kriemhild Hagen von Tronjes Kopf übergeben. Dieser jedoch hielt den Nibelungen stets die Treue wie kein anderer und geniesst weiterhin deren Schutz. Etzel weigert sich zudem, sich an seinen Gästen zu vergreifen. Es kommt dennoch zum Kampf, und Kriemhild schreckt vor keinem Opfer zurück, um Hagen tot zu sehen.
Der zweite Nibelungenfilm des visionären Filmemachers Fritz Lang ("Metropolis") wurde am 26. April 1924, gut zwei Monate nach dem ersten Film ("Siegfried"), im Ufa-Palast am Zoo in Berlin uraufgeführt und bildete den Abschluss von Langs Verfilmung der Nibelungensage. Mit 8 Millionen Reichsmark für beide Filme, mithin etwa 4 Millionen je Film, stellten diese Filme Mammutwerke dar, deren Produktionskosten inflationsbereinigt heute wohl um die 100 Millionen Euro entsprächen. "Kriemhilds Rache" erzählt die archetypische Rache-Geschichte und tut dies mit düsteren, martialischen und blutrünstigen Bildern. Und es erstaunt einmal mehr, was Fritz Lang bereits 1924 auf die Leinwand zauberte: Nebst eindrücklichen Massenszenen und riesigen Kulissen gibt es hier auch kaum versteckte "Oben-ohne"-Szenen und eine blutige Köpfung zu sehen. Margarete Schön, im ersten Film noch eher blass, läuft nun als Kriemhild in der Rolle des Rache-Engels zu Hochform auf, und man möchte nicht derjenige sein, dem der Hass ihrer blitzenden Augen gilt. König des "Overactings" Rudolf Klein-Rogge ("Rotwang, der Erfinder" aus "Metropolis") glänzt als Hunnen-König Etzel und spielt ebenfalls die meisten seiner Schauspieler-Kollegen an die Wand. Unter seinem Make-Up kaum zu erkennen, hätte er einen Ehren-Platz unter Peter Jacksons Orks im "Herrn der Ringe" auf sicher.




Orlac's Hände
Originaltitel: Orlac's Hände
Produktion: Österreich/Deutschland, 1924 
(Schwarzweiss/viragiert)
Pan-Film-A.G. (Pan Films)/Berolina Film GmbH
Regie: Robert Wiene.
Cast: Conrad Veidt, Alexandra Sorina, Fritz Kortner, Carmen Cartellieri, Fritz Strassny, Paul Askonas.
113 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung)
Der berühmte französische Piano-Spieler Orlac verliert bei einem Zugunfall beide Hände. Da Orlacs Frau ihn darum bittet, nimmt ein Arzt eine riskante Operation vor und transplantiert Orlac die Hände des hingerichteten Verbrechers und Mörders Vasseur. Es kommt, wie es kommen muss, die bösen Hände ergreifen mehr und mehr Besitz von Orlacs Psyche, und schon bald fühlt er sich von ihnen gezwungen, ebenfalls Untaten zu begehen. Das Auftauchen des Erpressers Nera scheint diese Entwicklung zu beschleunigen.
Ein weiterer, etwas weniger bekannter, aber nichtsdestotrotz wichtiger Horror-Stummfilm von der Wiener "Pan-Film-A.G.", der in englischsprachigen Ländern oftmals irrtümlich als deutsche Produktion geführt wird. In der Hauptrolle des zerrissenen Charakters Orlac glänzt Stummfilm-Star Conrad Veidt, der als Medium "Cesare" schon in "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) für Schrecken sorgte. Trotz Veidts Leistung reicht "Orlac" an diesen wegweisenden Klassiker bei weitem nicht heran. Der Film nimmt ein extrem gemächliches Tempo vor, und bei einer Lauflänge von 113 Minuten schleichen sich zu viele Längen ein, zudem dürfte das Ende eher enttäuschen. Die beste Heimkino-Restauration muss man hier bezeichnenderweise einmal mehr im Ausland suchen. Das US-Label "Kino International" fertigte einen "Composite-Print" des mit zwei Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven simultan gedrehten Ausläufers des Expressionismus, der gemeinhin auf der längsten deutschen 35-mm-Restauration vom F.-W.-Murnau-Institut basiert und einige dort nicht enthaltene Passagen aus einem 16-mm-Print der "Rohauer Collection" ergänzt. Leider wurden dabei nicht ganz unwichtige Szenen aussen vor gelassen, doch dürfte dies die kompletteste Fassung seit der Uraufführung sein. Freilich kann es, auch wegen der englischen Zwischentitel, noch keine definitive Restauration sein.





Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Originaltitel: Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Produktion: Deutschland, 1923-1926 
(Schwarzweiss/viragiert)
Comenius-Film GmbH
Regie: Lotte Reiniger (& Carl Koch).

Cast: Scherenschnitt-Silhouetten-Figuren.
66 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung)

Im 1. Akt erschafft der mächtige "afrikanische Zauberer" durch Magie ein fliegendes Zauberpferd, mit dem er den herrschenden Kalifen schwer beeindruckt. Damit dieser das Pferd bekomme, soll seine Tochter, Prinzessin Dinarsade, dem Zauberer zur Ehefrau gegeben werden. Ihr Bruder, der junge Prinz Achmed, interveniert dagegen, wird jedoch bei einem Ausritt mit dem Pferd hoch über die Wolken und in ein fernes Land getragen. Im 2. Akt, "Die Geschichte des Prinzen Achmed", landet selbiger auf den geheimnisvollen Zauberinseln von Wak-Wak, einem Dämonenreich regiert von der schönen Pari Banu. Als diese nachts in einem Zaubersee badet, entführt er sie kurzerhand und überzeugt sie erst unterwegs, ihn zu heiraten. Es folgt der 3. Akt, "Abenteuer in China": Als Fledermaus hat der vorderhand arrestierte Zauberer die Verfolgung aufgenommen. Er entführt Pari Banu und verkauft sie an den Kaiser von China, der die Widerspenstige an einen seiner Hofzwerge verheiraten will. Unterdessen suchen auch die Dämonen von Wak-Wak nach ihrer Herrin. Achmed, vom Zauberer zu einem Flammenberg verschleppt, trifft dort auf eine Hexe, des Zauberers Erzfeindin. Gemeinsam retten sie Pari Banu, doch diese wird von den fliegenden Monstern von Wak-Wak ergriffen und von ihnen in ihre Heimat zurückgebracht. Vor dem verschlossenen Tor Wak-Waks erfährt Achmed, dass dieses sich nur demjenigen öffnet, der Aladins Wunderlampe besitzt. 4. Akt, "Aladin und die Wunderlampe": Achmed kann Aladin aus den Fängen eines riesigen Ungeheuers befreien und erfährt von dessen zwischenzeitlicher Vermählung mit seiner Schwester Dinarsade. Im 5. und letzten Akt, "Die Geisterschlacht in Wak-Wak", retten Achmed und die Hexe mit Hilfe der magischen Öl-Lampe Pari Banu vor dem Zorn der Dämonen von Wak-Wak, welche ob der (freilich unfreiwilligen) "Fahnenflucht" ihrer Herrin erzürnt sind und sich ihrer deshalb entledigen wollen. 

Trickkünstlerin Lotte Reiniger schuf diesen Scherenschnitt-Silhouetten-Animationsfilm zusammen mit einem kleinen Team avantgardistischer Künstler (Ehemann Carl Koch, Walter Ruttmann, Berthold Bartosch, Alexander Kardan) in den Jahren 1923 bis 1926 in der Weimarer Republik nach Motiven der viele Jahrhunderte alten persischen Erzählungen "Tausendundeine Nacht". Der Stummfilm besteht aus etwa 96'000 Scherenschnitt-Silhouetten-Bildern, die mit 24 Bildern pro Sekunde im "Stop-Motion"-Verfahren ablaufen. Neben den vielen Kurzfilmen, die Lotte Reiniger realisierte (u. a. "Das Ornament des verliebten Herzens", 1919; "Der Stern von Bethlehem", 1921; "Doktor Dolittle und seine Tiere", 1928), war "Die Abenteuer des Prinzen Achmed", der heute möglicherweise den ältesten noch erhaltenen animierten Langspielfilm darstellt, ihr erster abendfüllender Film. 1999 restauriert, konnten sowohl die farbechte Viragierung der Urfassung als auch deren originale Musik-Komposition (von Wolfgang Zeller) wiederhergestellt werden. Nicht zuletzt dank dieser Restaurationsarbeit offenbart sich dem heutigen Zuschauer wieder, welch märchenhaftes, unglaubliches und faszinierendes Werk, das auch mit seiner Geschichte, seinen orientalisch-mystischen Schauplätzen und seinen Charakteren in seinen Bann zu ziehen vermag, Lotte Reiniger hier in der Weimarer Republik, einer der kreativsten Phasen der deutschen Kinogeschichte, geschaffen hatte. Entstanden aus einer im Zeitalter computer-animierter, lauter und allzu oft sinn- und charme-entleerter Effektspektakel völlig vergessenen Kunstform, ist dieser Silhouettenfilm von 1926 deshalb um so faszinierender und (wieder-)entdeckenswerter.



Die Biene Maja und ihre Abenteuer
Originaltitel: Die Biene Maja und ihre Abenteuer
Produktion: Deutschland/USA, 1924-1926 
(Schwarzweiss/viragiert)
Reichsverband Kultur-Film, Berlin/Edward L. Klein Productions
Regie: Wolfram Junghans (& Waldemar Bonsels).

Cast: Bienen, Hornissen, Mistkäfer, Rosenkäfer, Nashornkäfer, Heuschrecken, Ameisen, Libellen, Schlangen, Spinnen, Hasen, Igel, Frösche, Eulen, Regenwürmer, Glühwürmchen, Raupen.
75 Minuten (PAL/restaurierte Fassung)

In der Zeit der Regentschaft der Bienenkönigin Helene VIII. wird im Bienenschloss im Park die kleine Biene Maja geboren. Geburtshelferin Kassandra übernimmt ihre Erziehung. Doch schon bei ihrem ersten Ausflug in die grosse weite Sommerwelt kommt Maja abhanden, als sie die Tiere des Waldes (Igel, Hasen, Eule) und die Welt der Blumen kennenlernt. Sie besucht den Rosenkäfer Peppi und freundet sich mit einem Mistkäfer an, der die junge Maja rettet, als sie im Netz der Kreuzspinne Thekla hängenbleibt und von dieser gefangen wird. Als sie einmal in der Nacht aufwacht, begegnet sie den Blumenelfen, die ihr ihren grössten Wunsch erfüllen: Einmal einen Blick auf die "höchsten" aller Lebewesen, die Menschen, werfen zu dürfen. Als Maja von einem Hornissen-Soldat gefangen und von diesem in die Hornissenburg verschleppt wird, erfährt sie von den Plänen der dortigen Königin, das Bienenvolk im Park anzugreifen. Maja muss die Flucht gelingen, damit sie ihr Volk warnen kann. 

Eine märchenhafte fiktive Erzählung aus der Sicht einer Honigbiene, ist dieses (bis auf die kurze Elfen-/Menschen-Sequenz) ausschliesslich mit Insekten und anderen Tieren besetzte Werk nach dem 1912 erschienenen gleichnamigen Kinderroman des deutschen Schriftstellers Waldemar Bonsels (der bei der Menschen-Sequenz auch die Regie übernahm) ein weiterer Beleg dafür, dass in Deutschland zu Zeiten der Weimarer Republik (1918-1933) viele faszinierende und ungewöhnliche Filme mit teils innovativen Erzähltechniken (vgl. "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" aus dem gleichen Jahr) entstanden. Da mit echten Insekten gedreht wurde (denkbar schwierig, wenn man bedenkt, was hier alles umgesetzt werden musste), erstreckten sich die Dreharbeiten über fast zwei Jahre. Der in Deutschland nicht erhaltene viragierte Stummfilm wurde im Jahr 2004 auf der Basis einer erhaltenen finnischen Kopie (sowie unter Zuhilfenahme niederländischen Materials und deutscher Zensurkarten) restauriert. Eine aufwendige Sisiphus-Arbeit weitgehend ohne ähnliche oder vergleichbare Filme in der Geschichte, ist der zu seiner Entstehungszeit als "Kultur-Film" bezeichnete "Die Biene Maja und ihre Abenteuer", betrachtet durch die Augen von heute (2016), trotz seiner dramaturgischen Unvollkommenheit (die Zwischentitel etwa widersprechen sich zum Teil) und zweifellos vorhandenen Naivität ein faszinierendes Experiment, das eine Wiederentdeckung verdient hätte. Sehr viel später — 1975 — stand die Geschichte natürlich auch Pate für die bekannte japanisch-deutsche Zeichentrick-TV-Serie für Kinder namens "Die Biene Maja" ("Mitsubachi Mâya no bôken").



Metropolis
Originaltitel: Metropolis
Produktion: Deutschland, 1925-1927 
(Schwarzweiss)
Universum Film (UFA)
Regie: Fritz Lang.
Cast: Alfred Abel, Gustav Fröhlich, Brigitte Helm, Rudolf Klein-Rogge, Fritz Rasp, Theodor Loos, Heinrich George, Grete Berger, Erwin Biswanger, Fritz Alberti, Olly Boeheim, Max Dietze, Beatrice Garga, Heinrich Gotho.
150 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung 2010)/119 Minuten (PAL/restaurierte Fassung 2001)/83 Minuten (NTSC/Giorgio-Moroder-Fassung 1984)/94 Minuten (NTSC/Laserdisc 1993)
Metropolis ist eine gigantische Stadt der Zukunft. Im höchsten Gebäude der Stadt, dem "neuen Turm Babel", residiert ihr Schöpfer, Joh Fredersen. Sein wohlbehüteter Sohn Freder entdeckt durch einen Zufall, dass diese Stadt nur für die Reichen und Schönen ist: Was sie am Leben erhält, sind Heerscharen von Arbeitern, die tief unter der Stadt leben, unter unmenschlichen Bedingungen vor sich hin vegetieren und jeden Tag bis zur Erschöpfung an gigantischen Maschinen stehen müssen. Und Freder verliebt sich in eine Frau aus dieser Unterwelt — Maria, eine Prophetin, zu der die Arbeiter aufsehen. Derweil hat der Erfinder Rotwang sein Meisterwerk vollendet: Die Roboter-Frau Hel, geschaffen nach einer Frau, die Joh Fredersen wie Rotwang gleichermassen liebten und die starb, als sie Joh Fredersens Sohn das Leben schenkte. Fredersen weist Rotwang an, Hel in der Gestalt Marias zu den Arbeitern zu schicken, um Zwietracht unter ihnen zu säen. Doch die falsche Maria folgt nur Rotwangs Willen. Und der will Fredersen vernichten — und mit ihm Metropolis. Hel-Maria zettelt eine Arbeiter-Revolution an — mit Freder mittendrin.
Was kann über "Metropolis", Fritz Langs monumentalen und legendären Science-fiction-Stummfilm von 1927, noch berichtet werden? Das Werk sollte Hollywood in die Schranken weisen, es standen gegen die 40'000 Menschen vor der Kamera, die Gesamtausgaben für den Film beliefen sich auf um die sechs Millionen Reichsmark (inflations- und kaufkraftbereinigt heute ca. 200 Millionen US-$) und brachten die Produktionsfirma UFA an den Rand des Ruins, drei verschiedene Kameranegative wurden erstellt, zwei Millionen Meter (!!) Film sollen belichtet worden sein. Langs Film war visionär, seine Darstellung des an die französische Revolution erinnernden Klassenkampfs ist heute noch fast so aktuell wie damals, der Film zeigte mit der Hel wahrscheinlich die erste Darstellung eines Roboters im Menschengestalt auf der Leinwand, Bauten und Designs beeinflussten die gesamte (Science-fiction-)-Filmgeschichte. Doch bei der Uraufführung wussten weder Kritik noch Publikum viel mit dem Film anzufangen. Ein drohendes kommerzielles Desaster vor Augen, wurde der Film in den 
USA durch die Verleihgesellschaft Paramount (via "Parufamet") stark und sinnentstellend gekürzt. Später kam eine nach diesem "Vorbild" gekürzte Version in Deutschland in die Kinos. Es folgten diverse Wiederaufführungen, wobei "Metropolis" kürzer und kürzer wurde. Unzählige, teils äusserst aufwendige Restaurationsversuche, deren Beschreibung(en) Bücher füllen würde(n), wurden unternommen, "Metropolis" wurde in Filmarchiven rund um die Welt gesucht. Filmkomponist Giorgio Moroder brachte 1984 mit grossem Erfolg eine raffinierte, nachcolorierte Fassung mit moderner Musik in die Kinos, die dem Bekanntheitsgrad des Films massiven Aufschwung bescherte. Die Entdeckung des Drehbuchs und der (grandiosen) Originalmusik von Gottfried Huppertz sowie hin und her übersetzte Zensurkarten erlaubten 2001 eine Rekonstruktion, bei der alles vorhandene Material erstmals wieder an seinem richtigen Platz war. Ein Viertel des Films galt dennoch als unwiederbringlich verloren — bis zum Sensationsfund der verschollenen Szenen in einem kleinen Filmarchiv in Buenos Aires, Argentinien, im Jahr 2008. Dank der Re-Integration dieser "argentinischen" Szenen in den Film ist heute wieder die vollständigste "Metropolis"-Fassung seit 1927 zu sehen — ein Effort, der sich mehr als gelohnt hat. "Metropolis", ein wichtiges Stück Filmgeschichte, ist wieder da.



Alraune
Originaltitel: Alraune
Produktion: Deutschland, 1927-1928 
(Schwarzweiss)
Ama-Film GmbH
Regie: Henrik Galeen.
Cast: Brigitte Helm, Paul Wegener, Iván Petrovich, Wolfgang Zilzer, Louis Ralph, Hans Trautner, John Loder, Mia Pankau, Valeska Gert, Georg John, Alexander Sascha, Heinrich Schroth.
98 Minuten (PAL)
Der Wissenschaftler und Professor Jakob ten Brinken erläutert seinen Studenten die Idee, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, wobei ihm eine alte Legende als Inspiration dient. Nach dieser wachsen zu den Füssen von am Galgen Gehenkten aus dem Samen, den diese im Tod verlieren, ganz besondere Alraunenwurzeln. Ten Brinken lässt eine Prostituierte mit dem Samen eines gehenkten Mörders künstlich befruchten. Das "Resultat", ein Mädchen, tauft er auf den Namen "Alraune" und nennt es seine "Tochter". Sie wächst im Internat auf und wird bald zu einer wunderschönen jungen Frau, deren erotische Ausstrahlung einem Aphrodisiakum gleichkommt und die den Männern um sie herum reihenweise die Köpfe verdreht. Als sie mit einem Liebhaber aus dem Internat verschwindet, findet ten Brinken sie beim Zirkus wieder. Er will sie in die edle Gesellschaft einführen, doch ist er nicht davor gefeit, ihr selbst zu verfallen.
Dieser späte Stummfilm von Henrik Galeen aus der Weimarer Republik entstand nach dem 1911 erschienenen Roman "Alraune. Die Geschichte eines lebendigen Wesens" des deutschen Schriftstellers Hanns Heinz Ewers, der gleich mehreren Verfilmungen als Quelle der Inspiration diente. 1918 entstand in Deutschland der sehr frei interpretierte "Alraune: Die Henkers-Tochter, genannt die Rote Hanne" von Eugen Illés und Joseph Klein, praktisch zeitgleich drehten Mihály Kertész (Michael Curtiz) und Edmund Fritz den (heute verschollenen) "Alraune" als ungarisch-österreichische Co-Produktion. 1919 folgte "Alraune und der Golem" von Nils Olaf Chrisander (leider ebenfalls verschollen) und schon zwei Jahre nach Galeens Film spielte dessen Hauptdarstellerin Brigitte Helm die Rolle in Richard Oswalds ("Unheimliche Geschichten", 1919) Tonfilm-Version "Alraune" (1930) erneut. 1952 schliesslich schlüpfte Hildegard Knef in Arthur Maria Rabenalts "Alraune" in die Rolle. Galeens Film galt, obwohl er zweifellos viel Potential verschenkte, den meisten Kritikern als beste (wenn auch nicht romangetreuste) Leinwandadaption des Stoffs, wobei die exquisit perverse Handlung des Romans auch hier für die Leinwand stark abgeschwächt dargestellt und vieles bei Andeutungen belassen werden musste. "Metropolis"-Heldin Brigitte Helm (1906-1996) gab jedoch eine eindrückliche Vorstellung als verführerischer Vamp und entwickelte eine bemerkenswerte Leinwandpräsenz; als Professor ten Brinken ist "Der Golem" (1915) daselbst, Paul Wegener, zu sehen. Kein Meisterwerk, aber doch ein eindrücklicher fantastischer Film aus der späten Stummfilm-Ära. Leider ist der Film wie alle frühen Filmversionen der "Alraune" sehr schwer zu finden.



Frau im Mond
Originaltitel: Frau im Mond
Produktion: Deutschland, 1928-1929 
(Schwarzweiss)
Universum Film (UFA)/Fritz Lang-Film
Regie: Fritz Lang.
Cast: Klaus Pohl, Willy Fritsch, Gustav von Wangenheim, Gerda Maurus, Gustl Stark-Gstettenbaur, Fritz Rasp, Tilla Durieux, Hermann Vallentin, Max Zilzer, Mahmud Terja Bey, Borwin Walth, Karl Platen, Die Maus Josephine.
162 Minuten (PAL)
Der Unternehmer Wolf Helius und sein Freund, der Wissenschaftler Professor Georg Manfeldt, beschliessen den Bau einer privat finanzierten mehrstufigen Flüssigtreibstoff-Rakete nach Manfeldts Entwürfen, mit der sie die geheimnisvolle, der Erde stets abgewandte Rückseite des Mondes erreichen wollen. Dort, so vermutet Manfeldt, gebe es neben Regionen mit Sauerstoff-Atmosphäre auch riesige Goldvorkommen. Ein internationales Konsortium bestehend aus reichen Geschäftsmännern, das sich die "Fünf Gehirne und Scheckbücher" nennt, lässt jedoch die Raketenbaupläne stehlen und schleust einen Agenten, der nur als "Walter Turner, Chicago" bekannt ist, in das Unternehmen ein. Erst nach der Einwilligung, "Turner" mitzunehmen, bekommen Helius, seine rechte Hand Windegger und dessen Verlobte Friede Velten (in die auch Helius verliebt ist) sowie Manfeldt die Pläne zurück und können ihr Raketenschiff namens "Friede" vollenden. Nach einer gefahrvollen Reise und der Entdeckung eines blinden Passagiers an Bord erreichen sie ihr Ziel, den Mond, wo Manfeldt schon bald das Zeitliche segnet und ein Sauerstoffverlust im Raumschiff dazu führt, dass nicht mehr alle zur Erde zurückkehren können. 
"Es gibt für den menschlichen Geist kein Niemals, höchstens ein Noch nicht." — Der Zwischentitel bereits zu Beginn dieses letzten grossen Stummfilm-Epos (162 Minuten!) des visionären Filmemachers Fritz Lang ("Die Nibelungen", 1924; "Metropolis", 1927) zeugt von einer ungeahnten Aufbruchstimmung in späten Zeiten der Weimarer Republik. Und auch wenn "Frau im Mond" in jeder Beziehung deutlich hinter Langs Meisterwerk "Metropolis" zurücksteht, so war es doch ein weiterer visionärer (und zudem unterhaltsamer) Film, für den Lang kaum einen Aufwand scheute. Aus dem Werbe-Etat der Produktionsfirma UFA finanziert, arbeiteten Wissenschaftler und Berater an einer echten Flüssigtreibstoff-Rakete, die rechtzeitig zum Filmstart werbewirksam gezündet werden sollte. Dies gelang zwar nicht, der Erfolg des Films führte indes aber zur Sprechung weiterer Gelder für die Raketenforschung, an der unter anderen ein gewisser Wernher von Braun beteiligt war und die schliesslich zum Bau der V2, der ersten funktionsfähigen grossen Flüssigtreibstoff-Rakete und gefürchteten Kriegswaffe der Nationalsozialisten im 2. Weltkrieg, führen sollte. Ganz nebenbei waren es wahrscheinlich die Macher dieses Films, die den berühmten "Countdown", der seither bei Raketenstarts routinemässig Anwendung findet, erfanden. Der charismatische Fritz Rasp, unvergessen als "Der Schmale" in "Metropolis", läuft hier in einer vergleichbaren Rolle als windiger Agent erneut zu Hochform auf. Nach dem dänischen Film "Das Himmelsschiff" ("Himmelskibet", 1917) war Fritz Langs "Frau im Mond" einer der frühesten Filme, welche die Weltraumfahrt unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten darzustellen suchten, und diente als Inspiration und "Blaupause" für die amerikanischen Science-fiction-Filme, welche ab den 1950er Jahren in grosser Zahl entstanden (vgl. "Endstation Mond"/"Destination Moon" oder "Rakete Mond startet"/"Rocketship X-M"; beide von 1950).



Vampyr — Der Traum des Allan Grey
Originaltitel: Vampyr  /  Vampyr — Der Traum des Allan Grey  /  Vampyr, ou L'étrange aventure de David Gray
Produktion: Deutschland/Frankreich/Dänemark, 1931-1932 
(Schwarzweiss)
Tobis Filmkunst/Carl Theodor Dreyer-Filmproduktion
Regie: Carl Theodor Dreyer.
Cast: Julian West (Baron Nicholas De Gunzburg), Maurice Schutz, Rena Mandel, Sybille Schmitz, Jan Hieronimko, Henriette Gérard, Albert Bras, N. Babanini, Jane Mora.
73 Minuten (NTSC/deutsche Kinofassung/Restauration 1998)
Um die Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert) kommt der junge Wanderer und Träumer Allan Gray (bzw. Allan Grey, David Gray), der sich mit Studien der Phantastik wie Teufelskulten und dem Vampirglauben beschäftigt, zu einen einsamen Gasthof im französischen Dörfchen Courtempierre. Während einer unheimlichen Nacht begegnet er einem seltsamen Mann, der ihm ein Päckchen aushändigt, das der Mann erst nach seinem Tod geöffnet wissen möchte. Er stellt sich als Herr eines Schlosses in einem nahegelegenen, grossen Park heraus und stirbt noch in derselben Nacht; zurück bleiben neben den Bediensteten seine beiden Töchter Gisèle und Léone, von denen die eine todkrank ist. Gray spendet ihr sein Blut; zudem öffnet er das Päckchen und fördert ein wissenschaftliches Buch über den Vampirismus in der Region zutage. Auf dem Friedhof des Dorfes soll eine Frau namens Marguerite Chopin liegen, die ein "Vampyr" gewesen sein soll. Ist sie die Ursache für das Leiden der Tochter des Schlossherrn? In einem unheimlichen Tagtraum sieht Gray kurz darauf seine eigene Beerdigung. 
Der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer drehte diesen frühen Vampirfilm als deutsch-französische Co-Produktion an Originalschauplätzen in Frankreich mit Laiendarstellern. Die Hauptrolle spielte der französisch-russische Adelige Baron Nicholas De Gunzburg, der den Film auch finanzierte, unter dem Pseudonym "Julian West". "Vampyr" ist ein zutiefst  morbider, melancholischer und surrealer Film und gleicht vielleicht mehr einem auf Zelluloid gebannten (Alp-)Traum als jeder andere Film. Dreyer, der in seiner Karriere diverse verschiedene Genres bediente, gelangen Bilder von ungeheurer Intensität, die eine Atmosphäre des Schaurigen kreieren, die kaum ein anderer Film dieses Jahrzehnts erreichte. Dabei gereichte ihm neben seinen authentisch wirkenden (Laien-)Darstellern zum Vorteil, dass "Vampyr" im Grunde genommen ein (später) Stummfilm (eine zu diesem Zeitpunkt ausgereifte, vom Tonfilm klar zu trennende Filmkunst) ist, der zusätzlich noch Ton als neues Stilmittel aufwies.



Der Dämon des Himalaya
Originaltitel: Der Dämon des Himalaya
Produktion: Schweiz/Deutschland, 1934-1935 
(Schwarzweiss)
Tramontana Film AG
Regie: Andrew Marton & Günther Oskar Dyhrenfurth.
Cast: Gustav Diessl, Jarmila Marton, Hans Ertl, Erika Dannhoff, Günther Oskar Dyhrenfurth, Hans Winzeler, Albert Höcht, André Roch, James Belaieff, Piero Ghiglione, Dalib, Achmad.
90 Minuten (PAL)
Eine Bergsteiger-Expedition will den "Goldenen Thron" des Himalaya erreichen und den sagenumwobenen "Dämon der Berge" herausfordern. Man reist ins Tibet, und die wagemutigsten unter den Bergsteigern werden scheinbar tatsächlich durch mysteriöse Kräfte davon abgehalten, den Berggipfel zu erreichen...
Ein Schweizer Horrorfilm von 1935 (Tramontana Film AG, Zürich) — und ja, so etwas gab es tatsächlich. Dieser lange verschollene und von Regisseur Andrew Marton ("Ein Riss in der Welt", 1964) bemerkenswert aufwendig inszenierte Film war der erste Spielfilm überhaupt, der tatsächlich im Himalaya gedreht wurde und enthält von den frühesten in den Westen gelangten Aufnahmen aus dem Tibet, einem damals noch unabhängigen Staat. Eine höchst interessante Entdeckung mit einem faszinierenden Ende.






Der Hund von Baskerville
Originaltitel: Der Hund von Baskerville
Produktion: Deutschland, 1936-1937 
(Schwarzweiss)
Ondra-Lamac-Film
Regie: Carl Lamac.
Cast: Peter Voss, Friedrich Kayssler, Alice Brandt, Bruno Güttner, Fritz Odemar, Fritz Rasp, Lili Schönborn-Anspach, Erich Ponto, Ernst Rotmund, Gertrud Wolle, Paul Rehkopf, Klaus Pohl, Ilka Thimm.
77 Minuten (PAL)
Lord Charles Baskerville, ein Nachfahre des berüchtigten Hugo Baskerville, leidet unter einem Fluch über einen Höllenhund, den sein Vorfahre über die Familie der Baskervilles und deren Anwesen in einem grossen Moor gebracht hat. Als er nach einem aufgeregten Telefongespräch das Schloss verlässt und kurz darauf tot aufgefunden wird, verständigt sein Freund Dr. Mortimer den berühmten Londoner Detektiv Sherlock Holmes, um herauszufinden, was wirklich dran ist an der Sage vom Hund, sowie um den aus dem Ausland eingetroffenen Neffen von Charles, Lord Henry Baskerville, zu beschützen.
Nach Jahrzehnten in völliger Obskurität ist die erste deutsche Ton-Verfilmung des wohl bekanntesten von Sir Arthur Conan Doyles Romanen um Sherlock Holmes, "The Hound of the Baskervilles" von 1901, wieder zu sehen. Wenigstens 32 Filme aus Deutschland, England, den USA, Frankreich, Italien, Kanada, der Sowjetunion, sogar welche aus Japan und Indien, basierten auf dem Roman. Neben den bekanntesten und besten Verfilmungen von Sidney Lanfield (USA 1939) und Terence Fisher (England 1958) besteht diese deutsche Version des tschechischen Regisseurs Carl Lamac ehrenvoll, mit sehr atmosphärischen Sets und Szenerien. Bemängelt wurden hingegen Sherlock Holmes' etwas unpassendes Outfit, seine Darstellung durch den wenig bekannten Bruno Güttner sowie seine Absenz von einem Grossteil des Films. Fritz Rasp ("Der Schmale" aus "Metropolis") spielt den Butler Barrymore. Leider wird der Film — im Zusammenhang mit seiner Wiederentdeckung (?) — auch manchmal mit dem Nazi-Umfeld in Verbindung gebracht, was er wahrlich nicht verdient.




Der Rabe
Originaltitel: Der Rabe
Produktion: Österreich, 1951 
(Schwarzweiss)
Avantgardstudio der Schönbrunnfilm Wien
Regie: Kurt Steinwendner (Curt Stenvert).
Cast: Leopold Rudolf, Margit Jergius.
14 Minuten (PAL)
Ein Mann sitzt bei Anbruch der Nacht einsam an seinem Schreibtisch und brütet, von tiefem Gram gebeugt, ob des Todes seiner Geliebten, Leonore. Kurz vor dem Einschlafen meint er, ein Klopfen an der Türe zu vernehmen. Wider alle Vernunft lässt ihn sein Wunschdenken hoffen, Leonore sei zu ihm zurückgekehrt, doch draussen umgibt ihn nur die Nacht. Als er ein erneutes Klopfen am Fenster vernimmt und dieses öffnet, flattert ein Rabe in seine Wohnung und lässt sich über dem Kamin auf einer Skulptur der Pallas Athene nieder. Fragen nach des Rabens Namen und ob er (der Mann) Leonore je vergessen könne sowie die Aufforderung, ihn zu verlassen, beantwortet der Rabe alle mit ein- und demselben Wort: "Nimmermehr" ("nevermore"). Schlussendlich wird der Mann zu einem Foto auf dem Boden, mit Leib und Seele für immer gefangen im Schatten des Raben (und in seiner eigenen düsteren Fantasie). 
Ein experimenteller Horror-Kurzfilm (14 Minuten) des österreichischen Malers, Bildhauers, Fotografen und avantgardistischen Regisseurs Kurt Steinwendner (1920-1992), der hier mit für das Entstehungsjahr recht verstörend wirkenden filmischen Stilmitteln das berühmte schauerromantische Gedicht "Der Rabe" ("The Raven") von 1844/45 des amerikanischen Schriftstellers und Dichters Edgar Allan Poe (1809-1849) adaptierte, wobei sich der Dialog des Films exakt an den Wortlaut der deutschen Übersetzung des Gedichts hält. Düster und gespenstisch, fängt der Kurzfilm mit melancholischen, oft mit verschiedenen Techniken verfremdeten Schwarzweiss-Bildern Stimmung, Atmosphäre und Gefühl des Originals recht gut ein.



Die Nackte und der Satan
Originaltitel: Die Nackte und der Satan
Produktion: Deutschland, 1959 
(Schwarzweiss)
Rapid Film
Regie: Victor Trivas.
Cast: Horst Frank, Karin Kernke, Helmut Schmid, Paul Dahlke, Dieter Eppler, Kurt Müller-Graf, Christiane Maybach, Michel Simon, Herb Beschanner, Walter Holten, Eleonore Noelle, Maria Stadler.
92 Minuten (PAL)
Der brillante, doch sterbenskranke Wissenschaftler Dr. Abel soll die bucklige Nonne Irene Sander operieren, damit sie ein normales Leben führen kann. Bevor es jedoch dazu kommt, macht er Bekanntschaft mit dem zwielichtigen Dr. Ood, dessen Vergangenheit unter dem Namen "Dr. Brandt" alles andere als geheuer war. Abel stirbt, bevor er die Operation durchführen kann — doch der ebenso geniale wie zunehmend wahnsinnige Dr. Ood bringt es zustande, dass Dr. Abels Kopf — und mit ihm sein Gehirn — weiterlebt, während er selbst die Operation an Schwester Irene durchführt. Doch statt ihren eigenen Körper zu operieren, transplantiert Ood Irenes Kopf und Geist auf den makellosen Körper einer Striptease-Tänzerin, die er ermordete. 
In einem Jahrzehnt, in dem Genrefilme im deutschen Kino äusserst dünn gesät waren — ein anderes Beispiel war etwa Arthur Maria Rabenalts gelungene Neuverfilmung der "Alraune", 1952 — entstand dieser deutsche Horrorfilm in bester "Mad-Scientist"- beziehungsweise "Frankenstein"-Tradition. Die Handlung war erstaunlich krude, der Sleaze-Faktor in Anbetracht von Entstehungszeit und -Ort nicht weniger beachtenswert. Vor allem die weibliche Besetzung verbringt einen beträchtlichen Anteil der Laufzeit des Films leicht bekleidet; für einige Sekundenbruchteile gibt es tatsächlich nackte Haut zu sehen, was 1959 ein gewagtes Unterfangen war. Im Vergleich mit den meisten der zu dieser Zeit bereits inflationär entstehenden amerikanischen Exploitation-Filme gewinnt "Die Nackte und der Satan", beziehungsweise "Des Satans nackte Sklavin" (so der reisserische deutsche Alternativtitel) durch seine höhere Laufzeit und gelungenere Zeichnung der Charaktere. Eine starke Vorstellung gibt Horst Frank ("Die neunschwänzige Katze", 1971) als "Dr. Ood", dem man die Darstellung des genial-verrückten Arztes sofort abkauft. In den USA lief der Film des etwas mysteriösen, (wahrscheinlich) russisch-stämmigen Regisseurs und Drehbuchautors Victor Trivas in stark gekürzter Fassung unter dem Titel "The Head".



Die Schlangengrube und das Pendel
Originaltitel: Die Schlangengrube und das Pendel
Produktion: Deutschland, 1967 
(Farbe)
Constantin Film Produktion
Regie: Harald Reinl.
Cast: Lex Barker, Christopher Lee, Karin Dor, Carl Lange, Vladimir Medar, Christiane Rücker, Dieter Eppler, Horst Naumann.
80 Minuten (PAL)
1841. Der adlige Advokat Roger Mont-Elise, der auf der Suche nach seiner wahren Identität ist, sowie die junge Baroness Lilian von Brabant erhalten zeitgleich eine Einladung auf das Schloss des mysteriösen Grafen Frederic Regula von Andomai. Doch der soll seit 35 Jahren tot sein, gevierteilt wegen des Mordes an zwölf Jungfrauen. Nach einer Kutschenfahrt durch einen gespenstischen Wald voller Leichen erreicht man die verfallene Burg des Grafen im Sandertal. Dort stellt sich heraus, dass der Graf kurz vor seiner permanenten Wiederauferstehung steht — um sein Elixier für ein ewiges Leben zu vollenden, fehlt ihm nur noch das Blut einer 13. Jungfrau. Nun ist er, von seinem ebenfalls untoten Diener zu temporärem Leben erweckt, hinter den beiden letzten Nachfahren der Familien derer, die ihn zum Tode verurteilten, her — Roger und Lilian.
Regisseur Harald Reinl ("Im Stahlnetz des Dr. Mabuse", 1961; "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse", 1962; "Der Teppich des Grauens", 1962) drehte 1967 auf den Spuren des Erfolgs der Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen des amerikanischen Regisseurs Roger Corman ("Pendel des Todes", 1961) "Die Schlangengrube und das Pendel", der bis heute mancherorten als einziger deutscher "Gothic-Horrorfilm" bezeichnet wird. Dabei zog man alle Register, bediente sämtliche gängigen Grusel-Klischees und "würzte" den Film mit einer heftigen Dosis von Mario-Bava- und Hammer-Film-Einflüssen. Die Filmmusik komponierte Peter Thomas ("Raumpatrouille — Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion", 1966). Reinl stand für den Film eine illustre Riege europäischer Filmstars zur Verfügung: Ex-"Tarzan" Lex Barker (der nur sechs Jahre nach diesem Film verstarb), Reinls damalige Ehefrau Karin Dor ("Dracula jagt Frankenstein", 1968), bekannt aus den Edgar-Wallace- und "Winnetou"-Filmen, die das erste deutsche "Bond"-Girl wurde, ohne je einen "James-Bond"-Film gesehen zu haben, sowie Genre-Veteran Christopher Lee, zu dem es an dieser Stelle wohl keiner weiteren Worte bedarf. Der fertige Film ist beileibe keinem guten Corman, Bava oder Fisher ebenbürtig, aber dennoch unterhaltsam und hübsch anzusehen.





Im Schloss der blutigen Begierde
Originaltitel: Im Schloss der blutigen Begierde
Produktion: Deutschland/Frankreich/Spanien, 1967 (Farbe)
Aquila Film Enterprises
Regie: Percy G. Parker (Adrian Hoven/Peter Hofkirchner).
Cast: Howard Vernon, Janine Reynaud, Elvira Berndorff, Claudia Butenuth, Jan Hendriks, Michel Lemoine, Vladimir Medar, Pier A. Caminnecci, Adrian Hoven (Peter Hofkirchner).
84 Minuten (NTSC/restaurierte Fassung)/80 Minuten (NTSC/deutsche Kinofassung).
Junges Partyvolk um den Gastgeber Baron Brack, der eben noch in seinem Landhaus die junge Elena Langrange geschändet hat, gerät auf der Suche nach der geflüchteten Elena in das Schloss des unheimlichen Nachbarn, des Grafen Saxon. Der sieht in Elenas Schwester Vera eine Reinkarnation des Hausmädchens seines Vorfahren, das während des 30-jährigen Krieges die Tochter des besagten Vorfahren an marodierende Soldaten verriet, welche das wehrlose Mädchen daraufhin vergewaltigten und töteten. Wie es der Zufall will, ist dasselbe Schicksal soeben auch der Tochter von Saxon widerfahren. Und in Marion von Kassell, die ebenfalls zu der Gruppe gehört, die nun in seinem Schloss anwesend ist, erkennt Saxon ein Ebenbild seiner Tochter Katharina. Während er die Gäste hinhält, erweckt er zusammen mit seinem Leibarzt mit Hilfe von Marions Blut Katharina zu neuem Leben. Und die erkennt in Brack ihren Schänder. 
Ein Exploiter aus deutschen Landen, bei dem eigentlich der berühmt-berüchtigte Vielfilmer Jess Franco Regie führen sollte, der sich dann aber einem anderen Projekt zuwandte. So inszenierte Adrian Hoven (alias Peter Hofkirchner), drei Jahre später Mit-"Mastermind" hinter dem ebenfalls berühmt-berüchtigten Kult-Schocker "Hexen bis auf's Blut gequält" (1970), dieses wirre, mit viel Sex angereicherte Gebräu um Vergewaltigungsfantasien, "Shakespeare"-Zitate und "Frankenstein"-Motive (für letztere stehen dabei nicht enden wollende, detaillierte Grossaufnahmen von einer echten Herzoperation ein). An Franco erinnern weiterhin die lose aneinandergestückelte Handlung, der unerklärbar-deplatzierte Fokus der Kamera auf für die Handlung völlig belanglose Nebencharaktere (in diesem Fall Saxons nervigen Diener Alecos) sowie die Anwesenheit von Euro-Kult-Legende Howard Vernon, dem "schrecklichen Dr. Orloff" in Personalunion, dem der Film schliesslich die meisten seiner besseren Momente zu verdanken hat. Als schmieriger Baron Brack ist Michel Lemoine, später Regisseur der französischen "Graf-Zaroff"-Variation "Seven Women for Satan" ("Les week-ends maléfiques du Comte Zaroff", 1974) zu sehen. Seinerzeit im Kino aus Gründen der Zensur gekürzt, ist der Film auf nun Blu-Ray-Disc erstmals überhaupt in seiner vollen Länge zu sehen.



Auch Zwerge haben klein angefangen
Originaltitel: Auch Zwerge haben klein angefangen
Produktion: Deutschland, 1969-1970 
(Schwarzweiss)
Werner Herzog Filmproduktion
Regie: Werner Herzog.
Cast: Helmut Döring, Paul Glauer, Gisela Hertwig, Hertel Minkner, Gertrud Piccini, Marianne Saar, Brigitte Saar, Gerd Gickel, Erna Gschwendtner, Gerhard Maerz, Alfredo Piccini, Erna Smollarz.
92 Minuten (PAL)
In einer surrealen (Alp-)Traumwelt von Kleinwüchsigen, befindlich in einer Mischung aus Mexiko (ursprünglich vorgesehener Drehort), wie der Schild-Wegweiser "Dolores Hidalgo" (die Stadt, in der Mexikos Streben nach Unabhängigkeit von Spanien seinen Lauf nahm) impliziert, und Lanzarote, einer der Kanarischen Inseln (tatsächlicher Drehort), starten die Insassen einer abgelegenen Anstalt eine Rebellion gegen den einzigen verbliebenen Aufseher. Die "Zwerge" durchtrennen die Telefonleitung und begeben sich auf einen anarchischen, absurd-sinnlosen Zerstörungsfeldzug gegen die herrschende Ordnung der Gesellschaft.
Werner Herzog drehte dieses verstörende, sozialkritische schwarz-weisse Frühwerk, für das ausschliesslich kleinwüchsige Darsteller vor der Kamera agierten, auf einer Finca (Farm) in Lanzarote, in einer Landschaft aus Vulkangestein. Musik und Lieder im Film stammen aus Kulturen Westafrikas und schaffen eine eigenwillige Atmosphäre. Die deutsche "Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)" verbot Herzogs Allegorie und filmgewordenen Alptraum, in dem neben gesellschaftlichen Konventionen auch die christliche Religion angegriffen wird, ob seines kontroversen Subjekts komplett, und Herzog musste eigens Kinosääle mieten, um ihn aufführen zu können (wobei er unter anderem Morddrohungen erhielt). Herzog zeigte sich unübersehbar inspiriert von Tod Brownings meisterhaftem Filmklassiker "Freaks — Missgestaltete" (1932), und dies ist auch jener Film, mit dem "Even Dwarfs Started Small" (englischer Titel) sich noch am ehesten vergleichen liesse. Und wer weiss, vielleicht war auch der dänische "Das Haus der verlorenen Mädchen" (1973) genau hiervon inspiriert. Ein Film, zu dem sich wohl jeder eine ganz eigene Meinung bilden muss.




Der grosse Verhau
Originaltitel: Der grosse Verhau
Produktion: Deutschland, 1969-1970 
(Farbe/schwarzweiss)
Kairos-Film
Regie: Alexander Kluge.
Cast: Vinzenz Sterr, Maria Sterr, Sigi Graue (Siegfried Graue), Henrike Fürst, Hajo von Zündt, Sylvia Forsthofer, Hark Bohm, Hannelore Hoger, Bernd Höltz, Claus-Dieter Reents, Horst Sachtleben.
89 Minuten (PAL)
Im Jahr 2034/35 herrscht Bürgerkrieg im Sternensystem Krüger 60. Die Suez-Kanal-Gesellschaft kontrolliert mit eiserner Hand die Wirtschaft der gesamten Galaxie. Familien wollen weg von der industrialisierten Welt. In dieser Welt schlagen sich der Raumpilot Carl Douglas, die "Akkumulateure" Sterr (ein Seniorenpaar von Betrügern), die fiese Chefin der JGT ("Joint Galactic Transports"), wirre Militärköpfe und diverse andere mehr oder minder dubiose Gestalten mehr schlecht als recht durch ein eher tristes Leben.
Experimentelle Science-fiction aus deutschen Landen von Regisseur Alexander Kluge, angesiedelt zwischen alten Fabrikhallen, wurmstichigen Holztischen, Raum-Hippies und viel Unrat; semi-dokumentarisch, laiendarstellerhaft und, gelinde gesagt: wirr. Durch die unkonventionelle Machart aber auch interessant. Viel Aufwand wurde betrieben: Regelrechte Armadas von Raumschiffen wurden hier aus offensichtlichem Schrott zusammengebastelt. Für die Kreativität hinter den zahlreichen Spezialeffekten, die buchstäblich aus dem Nichts auf die Leinwand gezaubert wurden, gebührt den Machern auf jeden Fall ein Lob. Das Endresultat will vermutlich irgendetwas sagen (nur was?) und ist auf jeden Fall sehr gewöhnungsbedürftig.





Die nackten Augen der Nacht
Originaltitel: Les cauchemars naissent la nuit  /  Nachtmerries komen's nachts
Produktion: Liechtenstein/Belgien/Frankreich/Spanien, 1969/1970/1972 
(Farbe)
Prodif Ets.
Regie: Jess Franco (Jesús Franco Manera).
Cast: Diana Lorys, Paul Muller (Paul Müller), Jack Taylor, Colette Jack (Colette Giacobine), Andrea Montchal, Susan Korda (Soledad Miranda).
85 Minuten (NTSC)
Striptease-Tänzerin Anna de Istria gerät in einem zweitklassigen Etablissement in Zagreb in die Fänge der mysteriösen Cynthia Robins, welche Anna mit ihren hypnotisierenden Augen unweigerlich in ihren Bann zieht. Anna erzählt dem Arzt Dr. Paul Lucas ihre Geschichte, wie sie unter dem Vorwand, Schauspielerin und Model werden zu können, zu Cynthias Haus eingeladen wurde, wo sie dieser mehr und mehr verfiel — bis sie dort eines Tages mit Blut an den Händen aufwachte. Seither wird sie jede Nacht von wiederkehrenden Alpträumen geplagt. Ist sie eine Mörderin? Tatsächlich ist sie ein Werkzeug in Cynthias — und Dr. Lucas' — mörderischen Plänen. Letzterer bekommt allerdings plötzlich Gewissensbisse. 
"Nightmares Come at Night" entstand in einer relativ frühen Schaffensperiode Jess Francos, in welcher der umtriebige spanische Vielfilmer das Geld für seine Produktionen vornehmlich im Fürstentum Liechtenstein zusammenkratzte (vgl. "Eugénie de Sade"/"Eugénie", 1970). Trotzdem wurde der Film für den frankophonen Sprachraum konzipiert und im Frühjahr 1973 anscheinend nur gerade in einem einzigen Kino in Belgien gezeigt, bevor er alsbald völlig von der Bildfläche verschwand und für etwa 40 Jahre nicht mehr gesehen wurde, wobei er zwischenzeitlich von Kreisen, die es mit dem Begriff wohl nicht allzu genau nehmen, gar als "verschollen" bezeichnet wurde. Mit einer Blu-Ray-Veröffentlichung, basierend auf einem mittlerweile (2004) zum Vorschein gekommenen Print, erhielt der kammerspielartig in typisch einlullend-hypnotisch-langweiliger Franco-Manier mit viel nackter Haut inszenierte Film nun auch seine Premiere im deutschen Sprachraum. Neben Diana Lorys ("Der schreckliche Dr. Orloff"/"Gritos en la noche", 1961) und Jack Taylor ("Erotikill — Lady Dracula 2"/"La comtesse noire", 1973; hier ohne Schnauz/Bart und deshalb kaum zu erkennen) ist in einigen Szenen (die allerdings aus einem anderen, unvollendeten Projekt stammten und von Franco nun kurzerhand hier hineingeschnitten wurden) auch die junge Soledad Miranda, für eine kurze Zeit bis zu ihrem tragischen Tod im August 1970 des "Meisters" Muse, zu sehen. Franco fand die seidenpapierdünne Geschichte dann auch noch interessant genug, um sie in variierter Form in zwei weiteren seiner Filme ("Der Ruf der blonden Göttin", Schweiz 1977; "Night of 1,000 Sexes"/"Mil sexos tiene la noche", Spanien 1984) erneut auf der Leinwand auszubreiten.



Gebissen wird nur nachts — Happening der Vampire
Originaltitel: Gebissen wird nur nachts — Happening der Vampire
Produktion: Deutschland, 1970 
(Farbe)
Aquila Film Enterprises
Regie: Freddie Francis.
Cast: Pia Degermark, Thomas Hunter, Yvor Murillo, Ingrid van Bergen, Joachim Kemmer, Oskar Wegrostek, Ferdy Mayne, Lyvia Bauer, Daria Damar, Kay Williams, Michael Janisch.
101 Minuten (NTSC)
Die berühmte Hollywood-Schauspielerin Betty Williams kommt mit dem Flugzeug in der Heimat ihrer Vorfahren, Transsilvanien in Rumänien, an. Sie hat den Familiensitz, das Schloss derer von Rabenstein (ihr richtiger Name) geerbt und möchte es nun begutachten. Zuerst begegnet sie dort dem furchtsamen Butler Josef, der bei ihrem Anblick fast zu Tode erschrickt, denn sie sieht ihrer ein Stockwerk tiefer eingesargten Ur-Urgrossmutter Clarimonde von Rabenstein zum Verwechseln ähnlich — und die war ein Vampir. Und natürlich bleibt sie nicht mehr lange in ihrem Sarg. Während Betty vor allem auf sexuelle Eskapaden aus ist, hat ihre Doppelgängerin Clarimonde eher ein Auge für schöne Hälse. Als sie vom Nachbarschloss Ochsenstein zu einer Party eingeladen wird, stolpert Betty, ohne es zu ahnen, in eine regelrechte Vampirfete — als Stargast wird zudem kein Geringerer als Graf Dracula erwartet.
Im Fahrwasser von Roman Polanskis Hit-Horror-Komödie "Tanz der Vampire" (1967) entstanden in Europa einige Nachahmer-Filme, etwa 1968 der in deutsch nicht gezeigte, spanisch-italienische "Malenka — The Niece of the Vampire", oder die vorliegende, mit viel Sex angereicherte Grusel-Klamotte aus (west-)deutschen Landen. Für die Regie konnte der englische "Hammer-Film"-Hausregisseur Freddie Francis gewonnen werden, der unzählige Horrorfilme inszenierte, unter anderem für die "Hammer"-Produktion auch einen "echten" Dracula-Film mit Christopher Lee ("Draculas Rückkehr", aka "Dracula Has Risen from the Grave", 1968). Die freizügige weibliche Hauptrolle spielte die Schwedin Pia Degermark. Überhaupt lassen die Frauen in diesem Film bei jeder Gelegenheit die Hüllen fallen. Das Ganze fällt denn auch 1970er-Jahre-typisch zotig und frivol aus, hat aber durch die gelungenen Schauplätze und Dekors durchaus auch mehr Atmosphäre als so manch ernstgemeinter Vampirfilm selbst aus dieser (guten) Zeit für solche Filme. Diverse Anspielungen auf andere Filme wie "Rosemaries Baby" (1968) oder "Tanz der Vampire" (Ferdy Mayne, der in Polanskis Film den Vampir-Grafen Krolock gab, tritt hier als Dracula auf) unterstreichen den parodistischen Charakter.




Hexen bis auf's Blut gequält
Originaltitel: Hexen bis auf's Blut gequält  /  Mark of the Devil
Produktion: Deutschland/England/Österreich, 1970 
(Farbe)
HIFI Stereo 70 KG/Atlas International Film/Aquila Film Enterprises
Regie: Michael Armstrong (& Adrian Hoven (Peter Hofkirchner)).
Cast: Herbert Lom, Udo Kier, Olivera Vuco (Olivera Katarina), Reggie Nalder, Herbert Fux, Johannes Buzalski, Michael Maien, Gaby Fuchs, Ingeborg Schöner, Günter Clemens, Doris von Danwitz, Dorothea Carrera, Marlies Petersen.
93 Minuten (PAL)
Im europäischen Mittelalter, zu Zeiten, als die Hexenjagden und Hexenverbrennungen ihren Höhepunkt erreicht hatten: In einem österreichischen Fürstentum jagen der sadistische Henker Albino und seine Handlanger nach sogenannten "Hexen", fabrizieren willkürliche Anklagen wegen Gotteslästerung und vergehen sich an den Frauen. Die Ankunft des obersten vom Fürsten eingesetzten Hexenjägers, Lord Cumberland, und seines Schülers und Gefolgsmannes Graf Christian von Meruh soll dies ändern. Albino will derweil im Wirtshaus die schöne Magd Vanessa Benedikt vergewaltigen, sie aber wehrt sich und wird vom intervenierenden Christian beschützt. Die beiden verlieben sich, doch durch eine erfundene Anklage Albinos soll Vanessa schon bald als Hexe verurteilt werden, und Cumberland hält sie für schuldig. Dasselbe Schicksal trifft einen minderjährigen Adligen, dem die Kirche seine Erbschaft enteignen will, und ein Patrizier-Ehepaar, dessen Puppenspiel für ein "Werk des Teufels" gehalten wird.
"Hexen bis aufs Blut gequält", im englischen Sprachraum berühmt-berüchtigt als "Mark of the Devil", war ein deutsch-britischer Exploitation-Horrorfilm und zum Zeitpunkt seiner Entstehung eines der blutigeren Kino-Werke der westlichen Hemisphäre. Der Film schwamm im Fahrwasser des sehr erfolgreichen englischen Horrorstreifens "Der Hexenjäger" ("Witchfinder General", 1968) von Michael Reeves und avancierte ebenfalls zu einem grossen kommerziellen Erfolg, indem er dunkle Kapitel des Mittelalters exploitativ auf der Leinwand ausleuchtete. Die teils drastischen Gewaltdarstellungen begründeten den Ruf des Films, führten aber auch zu Zensur und Verboten. Trotzdem, oder genau deswegen, war der Film des englischen Regisseurs Michael Armstrong und des deutsch-/österreichischen Co-Regisseurs und Produzenten Adrian Hoven (eigentlich: Peter Hofkirchner) einer der wenigen deutschen Horrorfilme, die in Fan-Kreisen wirklichen "Kult"-Status erlangten. Hoven schob 1972 eine Quasi-"Fortsetzung" namens "Hexen geschändet und zu Tode gequält" nach. Interessant ist, dass ungefähr zeitgleich im fernen Japan vergleichbare Filme über mittelalterliche Foltermethoden wie "Tokugawa — Gequälte Frauen" (1968) grosse Popularität zu geniessen begannen, von denen allerdings nur wenige in den Westen gelangten. Dies war Udo Kiers ("Andy Warhols Frankenstein", 1973) erster grosser Kinofilm, der Star war damals jedoch noch Herbert Lom ("Nachts, wenn Dracula erwacht", 1969). Als "Hexen" mussten u. a. Olivera Vuco, Gaby Fuchs ("Nacht der Vampire", 1971) und Ingeborg Schöner herhalten. Kommerz und Exploitation? Dies mag man diesem Film leicht vorwerfen, doch was damals wirklich vor sich ging, war ohne jeden Zweifel mindestens so grausam.




Jonathan
Originaltitel: Jonathan
Produktion: Deutschland, 1970 
(Farbe)
Iduna Film Produktionsgesellschaft/Obelisk Film/Telepool
Regie: Hans W. Geissendörfer.
Cast: Jürgen Jung, Hans-Dieter Jendreyko, Paul Albert Krumm, Hertha von Walther, Oskar von Schab, Ilona Grübel, Sofie Strehlow, Gaby Herbst, Henry Liposca, Christine Ratej, Arthur Brauss.
97 Minuten (PAL)
In der Mitte des 19. Jahrhunderts werden die Menschen in Europa von Vampiren terrorisiert, die die Lande unsicher machen und Dörfer und Bauernhöfe überfallen. Ein Professor und seine Anhänger senden den jungen Jonathan als Kundschafter aus. Er soll das am Meer gelegene Schloss des Anführers der Kreaturen, einem Vampirgrafen, auskundschaften und den Weg für einen Angriff der Bauern und Studenten aus dem Volk ebnen. Im Schloss werden zudem viele Menschen gefangengehalten, die der Vampirschaft als lebende Nahrungsvorräte zur Verfügung stehen müssen. Der Graf ist jedoch unterrichtet und erwartet Jonathan bereits.
"Jonathan" ist ein deutscher Vampirfilm von 1970 und ein echter Geheimtipp für Fans der Kreaturen der Nacht. Der Film lief seinerzeit erfolgreich im Kino (gegen eine Million Zuschauer) und gewann das "Filmband in Gold", damals die höchste Auszeichnung für einen deutschen Film. Für sein Frühwerk transportierte Regisseur und Drehbuchautor Hans W. Geissendörfer, der spätere Produzent der "Lindenstrasse", inspiriert von der Sichtung diverser "Hammer"-"Dracula"-Filme mit Christopher Lee und dem deutschen Stummfilm-Klassiker "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" von 1922, die Grundzüge der Geschichte von Bram Stokers klassischem Roman "Dracula" ins Kontinentaleuropa des 19. Jahrhunderts und nutzte sie für Allegorien auf das Grossbürgertum des 19. Jahrhunderts, welches es sich auf Kosten des Proletariats gutgehen liess (hier durch aristokratische Vampire dargestellt), sowie auf die Studentenproteste der 68er-Bewegung. "Jonathan" ist langsam, traurig, melancholisch, auch ein wenig erotisch, bisweilen erstaunlich blutig (tatsächlich wurden Szenen extra auf Wunsch eines am Kauf des Films interessierten japanischen Filmverleihs mit viel Blut gedreht!) und erreicht in manchen Szenen surreale Qualitäten, wozu nicht zuletzt Roland Kovács Musik beiträgt. Aus heutiger Warte allerdings schwer zu rechtfertigen ist eine Szene, in der eine lebende Ratte misshandelt und zertreten wird (laut Regisseur kam das Tier nicht zu Schaden, was angesichts der Bilder aber eher schwer zu glauben ist).





Mädchen: Mit Gewalt
Originaltitel: Mädchen mit Gewalt  /  Mädchen: Mit Gewalt
Produktion: Deutschland, 1969-1970 
(Farbe)
Roger Fritz Filmproduktion/Smart Filmproduktionsgesellschaft
Regie: Roger Fritz.
Cast: Helga Anders, Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Monika Zinnenberg, Astrid Bonnet (Astrid Boner), Elga Sorbas, Rolf Zacher, Henry van Lyck, Renate Grosser.
98 Minuten (NTSC)
Süddeutschland in den ausgehenden 1960er respektive beginnenden 1970er Jahren: Mike und Werner, zwei testosterongesteuerte Nichtsnutze, mimen tagsüber brave Büroangestellte, doch nach Feierabend lassen sie keine Gelegenheit aus, hinter kurzberockten jungen Frauen herzusteigen, welche sie gerne auch mal bedrängen, belästigen und verstören. Bei einem Scooter-Rennen treffen sie die hübsche und naive Alice und ihre Freunde, mit denen sie sich bei einem abgelegenen Baggersee unweit von Stuttgart verabreden. Alice fährt bei Mike und Werner mit, derweil ihre Freunde sich verfahren — man kommt zu dritt am See an, wo Mike und Werner beschliessen, mit ihrer "Eroberung" etwas "Spass" zu haben. Als Alice realisiert, dass ihre Freunde nicht mehr kommen, will sie nach Hause — doch Werner treibt ein sadistisches Spiel mit ihr und vergewaltigt sie anschliessend. Daraufhin geraten sich Werner und Mike in die Haare und bekämpfen sich gegenseitig bis aufs Blut. 
"Mädchen: Mit Gewalt" des deutschen Regisseurs Roger Fritz ist ein typisches "Kind" seiner Entstehungszeit — halb ernsthafte Auseinandersetzung mit stereotypen Geschlechterrollen, sexueller Revolution und aufkommender Emanzipation, halb sexistisches Bahnhofskino, das bereitwillig eben doch genau die Klientel bedient, die zu kritisieren es vorgibt, lässt der Film, der sich kaum einem bestimmten Genre zuordnen lässt, den Zuschauer letzten Endes etwas rat- und hilflos zurück. Mit minimalen Mitteln umgesetzt, fängt der immerhin bemerkenswert gut gespielte, teils aber auch fast schon improvisiert wirkende Film die Atmosphäre und den Zeitgeist Deutschlands zu seiner Entstehungszeit ausgezeichnet ein und zieht den Zuschauer in seinen Bann, um in einem keinesfalls völlig überraschenden, nichtsdestotrotz ärgerlichen Ende zu kulminieren, dessen Moral heute so fragwürdig ist wie damals. 1970 im Kino nur gekürzt aufgeführt (die Sequenz vor dem Vorspann wurde entfernt) und seither bis ins Jahr 2015 nie mehr zu sehen, da weltweit in keiner Form für den Heimkino-Markt veröffentlicht, ist der rare Film nun als restaurierte Blu-Ray-Veröffentlichung wieder zugänglich, wobei er jetzt — teils etwas gar überschwänglich und einer gewissen Ironie nicht entbehrend — als "vergessenes Meisterwerk" gefeiert wird. Schundige "Exploitation" oder ambitioniertes "Arthouse"-Kino — letztendlich dürfte individueller Zuschauergeschmack den Ausschlag geben, unter welcher Kategorie dieses Werk abzubuchen ist.



Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte
Originaltitel: Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte
Produktion: Deutschland, 1971 
(Farbe/schwarzweiss)
Kairos-Film
Regie: Alexander Kluge.
Cast: Alfred Edel, Helga Skalla, Hark Bohm, Kurt Jürgens, Natalia Bowakow, Joachim Hirsch, Hannelore Hoger, Bernd Höltz, Agneta Loefving, Horst Sachtleben, Angela Skalla, Sabine Skalla, Steffi Skalla, Marquard Bohm.
77 Minuten (PAL)
Willi Tobler, Arbeiter und Familienmensch, muss mit seiner Familie fliehen, als im Jahr 2040 im Zuge des galaktischen Bürgerkriegs sein Heimatplanet von einer feindlichen Flotte angegriffen und vernichtet wird. Er tritt daraufhin der 6. Flotte, welche vom Sternensystem Krüger 60 aus operiert, als 3. Pressesprecher bei. Befehlshaber General Bohm plant, die Siedler-Planeten, die unter dem Schutz der 1. Flotte stehen, anzugreifen. Tobler wird bald befördert, bald degradiert, bald versetzt und versucht in der unübersichtlichen Lage, seinen Hals zu retten.
Eine Quasi-Fortsetzung von Alexander Kluges erstem Experimental-Ausflug in den Weltraum, "Der grosse Verhau" von 1970, die erneut ins Sternensystem Krüger 60 entführt und weniger eine richtige Geschichte erzählt, als vielmehr in semi-dokumentarischem Stil mit Farb- und Schwarzweiss-Sequenzen, handgeschriebenen Zwischentiteln und viel Archivmaterial (auch einige, zum Glück aber nicht 
allzu viele "Stock-Footage"-Effekte aus "Der grosse Verhau" kommen zum Einsatz) dem Zuschauer eine ziemlich wirre Abfolge von Ereignissen beschreibt.



Magdalena — Vom Teufel besessen
Originaltitel: Magdalena — Vom Teufel besessen
Produktion: Deutschland, 1974 
(Farbe)
Constantin Film Produktion/TV13 Filmproduktion
Regie: Michael Walter (Walter Boos).
Cast: Dagmar Hedrich, Werner Bruhns, Michael Hinz, Peter Martin Urtel, Rudolf Schündler, Karl Walter Diess, Günter Clemens, Elisabeth Volkmann, Eva Kinsky, Petra Peters, Ursula Reit, Helena Rosenkranz.
84 Minuten (NTSC)
In einem heruntergekommenen Altstadthaus in einer süddeutschen Stadt wird die gekreuzigte Leiche eines Mannes gefunden. Kurz darauf beginnt dessen Enkelin Magdalena, die ein Mädcheninternat besucht, sich äusserst seltsam zu verhalten: Sie entledigt sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihrer Kleider und schreit Obszönitäten um sich; im Internat verrücken Gegenstände wie von Geisterhand. Im Anschluss an ihre Anfälle kann sie sich jeweils an nichts mehr erinnern. Als Magdalena ausbüxt, bricht sie einem Autofahrer, der sie vergewaltigen will, mühelos den Arm. Ein behandelnder Arzt verordnet Magdalena eine Aus- und Beobachtungszeit auf dem Land, wo sie von seinem Assistenten betreut wird. Der verliebt sich in die ausnehmend hübsche junge Frau, welche jedoch nur mit ihm spielt. Der ebenfalls eingeschaltete Pfarrer erkennt, dass Magdalena von einem Dämon besessen ist, welcher im Moment des Todes ihres Grossvaters auf sie überging.
Im Anschluss an den Welterfolg "Der Exorzist" ("The Exorcist", USA 1973) kamen mehr oder weniger blatante Kopien, "Cash-ins" oder "Rip-offs", wie auch immer man sie nennen mag, in grosser Zahl aus den unterschiedlichsten Ländern; aus den USA ist dabei etwa die "Blaxploitation"-Variante "Abby" (1974) zu nennen. Besonders beliebt war die Thematik in Europa, wo in Italien Titel wie "Nude for Satan" ("Nuda per Satana", 1974), "Schwarze Messe der Dämonen" ("L'anticristo", 1974) oder "Vom Satan gezeugt" ("Chi sei?", 1974) auf den Markt geworfen wurden; in Spanien entstanden dabei Filme wie "Der Exorzist und die Kindhexe" ("La endemoniada", 1975) oder "Exorcism" ("Exorcismo", 1975), in Frankreich "Lorna the Exorcist" ("Les possédées du diable", 1974). Selbst vor vergleichsweise exotischen Filmmärkten machte diese Entwicklung nicht Halt; so gab es "Exorzisten"-Klone auch in der Türkei (das berüchtigte Szene-für-Szene-Remake "Satan"/"Seytan", 1973), in Indien ("Black Magic"/"Jadu tona", 1977, oder "The Depth"/"Gehrayee", 1980) oder in Südkorea ("An Exorcist"/"Bagsu mudang", 1974). Ebenfalls eher unter den Exoten einzureihen ist der vorliegende, ziemlich schundige deutsche Vertreter, "Magdalena — Vom Teufel besessen" (auch bekannt als "Magdalena — Kein Platz für die Hure" und "In der Gewalt des Bösen"), den Sexfilmer Walter Boos für immerhin etwa eine Million Deutsche Mark abdrehte, wobei der Film mindestens das Achtfache davon wieder einbrachte. Hauptdarstellerin Dagmar Hedrich wurde dabei mit Sicherheit nicht wegen ihrer Schauspielkünste engagiert; so schlecht, wie die Länge ihrer Filmkarriere (es blieb bei diesem einen Film) es vermuten liesse, waren diese allerdings dann auch nicht.



Mulungu
Originaltitel: Mulungu
Produktion: Schweiz, 1973/1974 
(Farbe)
Mulungu Filmproduktion
Regie: Beat Kuert.
Cast: Eva Schukardt, Klaus-Henner Russius, Edi Cassini, Peter Siegenthaler, Michael Maassen, Norbert Schwientek, Pepe Sollbach, Stephan Murthaler, Gerhard Dorfer, Jörg Holm, Rolf Parton.
77 Minuten (PAL)
Ein junger Architekt aus Zürich soll in den Walliser Alpen Vorkehrungen für eine geplante Siedlung von Berghäusern treffen. Unterwegs begegnet er verschrobenen Berglern und — immer wieder — einer mysteriösen Ziegenhirtin, welche ihn in ihren Bann zieht, jedoch stets wieder verschwindet, ohne auf seine Fragen Antworten zu geben. Während er ihr durch unwegsame Alpenlandschaften und über den Rhonegletscher folgt, verliert er zusehends den Bezug zur Realität. Erlebt er diese Dinge wirklich? Und weshalb sieht die Frau, die er in der Stadt versehentlich angefahren hatte, genauso aus wie die Hirtin?
Der Schweizer Filmemacher, Künstler und Autor Beat Kuert inszenierte diesen bizarren Film, der als ein rares Beispiel für einen Schweizer Horrorfilm gelten kann. "Mulungu" war Kuerts Spielfilm-Debut; der über zwei Jahre im Lötschental und auf dem Rhonegletscher auf 16-mm-Film gedrehte und von Schweizer Bergsagen inspirierte Film vermag den Zuschauer ähnlich seinem Protagonisten in einen Bann zu ziehen, dem etwas Mythisches und Geheimnisvolles anhaftet. Das Wort "Mulungu" soll einer polynesischen Sprache entliehen sein und für alles stehen, was seltsam, geheimnisvoll und unerklärbar ist. Damit wird aber auch ein grosses Problem des Films mit angesprochen: Mit der "Auflösung", beziehungsweise dem Fehlen einer solchen, macht er es sich etwas gar leicht. Unter dem Strich bleibt ein atmosphärisch dichter Film, der jedoch arm an Substanz ist. Ein grösseres Publikum hätte er mit Sicherheit dennoch verdient.




Die Wölfin vom Teufelsmoor
Originaltitel: Tod im November  /  Die Wölfin vom Teufelsmoor
Produktion: Österreich, 1976 
(Farbe)
Wolfgang Odelga Filmproduktion GmbH/Wien-Film/Star Film GmbH
Regie: Helmut Pfandler.
Cast: John Phillip Law, Florinda Bolkan, Siegfried Wischnewski, Claudia Rieschel, Guido Wieland, Hans-Dieter Jendreyko.
83 Minuten (PAL)
Der Ingenieur John Vanetti kommt in ein abgelegenes österreichisches Bauerndorf, um dort Vermessungsarbeiten für von der Regierung geplante zukünftige Industrieanlagen durchzuführen. Die schrulligen und abergläubischen Einwohner begegnen dem Eindringling mit grossem Misstrauen — bis hin zu offener Feindschaft. Besonders der rätselhafte und durchtriebene Kasimir, der zudem magische (Suggestions-)Kräfte zu haben scheint, macht Vanetti das Leben sowie die Erfüllung seines Auftrags schwer. Einzig die ebenso schöne wie mysteriöse Bäuerin Walpurga, im Dorf von vielen als "Hexe" bezeichnet, reagiert anders auf den Städter — nach einer stürmischen Liebesnacht mit diesem tritt sie ihr Land sehr zum Ärger der anderen Einwohner freiwillig ab.
Ein rarer österreichischer Ausflug in Mystery-/Horror-Gefilde ist dieser vollkommen vergessene, nichtsdestotrotz faszinierende Film, den Regisseur Helmut Pfandler nach Motiven einer Kurzgeschichte namens "Walpurga" seines Vaters Josef Pfandler inszenierte, wobei ihm nicht wenige atmosphärische Szenen mit Einstellungen des titelgebenden "Teufelsmoors", nebelverhangener Wälder und Bauernhäuser sowie des lokalen Landlebens gelangen. Dabei standen durchaus illustre Schauspieler wie John Phillip Law ("Barbarella", 1967), die gebürtige Brasilianerin und Euro-Horror-Ikone Florinda Bolkan ("Spuren auf dem Mond"/"Le orme", 1974) oder der deutsch-polnische Darsteller Siegfried Wischnewski ("Die Rückkehr der Zeitmaschine", 1984), als kauziger "Kasimir" gar der heimliche "Star", vor der Kamera. Eine Glasbox-Video-Veröffentlichung des Labels "Royal Video" aus der "Steinzeit" der VHS-Ära (ca. 1980-1999) war wahrscheinlich die einzige Heimkino-Veröffentlichung dieses Films — weltweit. International geläufig als "The Devil's Bed" und "The Shewolf of Devil's Moor".



Die Säge des Todes
Originaltitel: Die Säge des Todes  /  Colegialas violadas
Produktion: Deutschland/Spanien, 1981 
(Farbe)
Lisa-Film/Rapid Film/Metro Film/Plata Films S.A.
Regie: Jess Franco (Jesús Franco Manera) (& Lina Romay).
Cast: Olivia Pascal, Christoph Moosbrugger, Nadja Gerganoff, Alexander Waechter, Jasmin Losensky, Corinna Gillwald (Corinna Drews), Ann-Beate Engelke, Peter Exacoustos, Antonia García, Beatriz Sancho Nieto, María Rubio.
81 Minuten (PAL)
Die junge Angela und ihre deutschen Freundinnen besuchen einen Spanisch-Sprachkurs in einem idyllischen Urlaubsstädtchen an der Mittelmeerküste Spaniens. Einem Gerücht zufolge soll in Angelas Bungalow mit der bezeichnenden Nummer 13 fünf Jahre zuvor eine Partygängerin ermordet worden sein; der entstellte Täter Miguel kam soeben rechtzeitig zum Beginn ihres Kurses wieder auf freien Fuss. Und tatsächlich: Schon nach kurzer Zeit verschwindet die junge Eva, bald darauf ihre Freundin Inga, deren in einer Sägemühle abgetrennter Kopf Angela in ihrem Bett vorfindet. 
Regisseur Jess Franco (alias Jesús Franco Manera, 1930-2013) drehte diesen ultra-blutigen "Slasher"-Film im Fahrwasser amerikanischer Hit-Horrorstreifen wie John Carpenters "Halloween — Die Nacht des Grauens" ("Halloween", 1978), Sean S. Cunninghams "Freitag der 13." ("Friday the 13th", 1979) sowie diverser europäischer (vornehmlich italienischer) "Gialli" für deutsche Produzenten (Wolf C. Hartwig, Otto W. Retzer) in seiner Heimat Spanien. Sehenswert ist er allenfalls für die Spezial- und Make-Up-Effekte des Spaniers Juan Ramón Molina (hervorzuheben ist hier insbesondere der äusserst blutrünstig umgesetzten Mord in einer Sägemühle), welche den Blut- und Sadismus-Gehalt dieses Films weit über jenen des genre-üblichen Durchschnitts heben. Das rudimentäre Drehbuch und das schwer zu ertragende Dauer-Gekreische der Hauptdarstellerin (gepaart mit unnatürlichem, oftmals geradezu haarsträubend dummem Verhalten fast sämtlicher Charaktere) macht das Durchsitzen indes bisweilen zu einer Durchhalteprobe. Berühmt-berüchtigt wurde der Film wie so viele andere in den 1980er Jahren aufgrund der scheinheiligen Bemühungen deutscher Politiker, sich im Stil eigentlicher Hexenjäger gegen angeblichen Horror-"Schund" in den Kinos und Videotheken zu profilieren und mit ihrer Bevormundungswut noch die eine oder andere zusätzliche Wählerstimme zu ergattern, was "Die Säge des Todes" seinerzeit die Beschlagnahme in seinem eigenen Produktionsland bescherte.



Der Fan
Originaltitel: Der Fan
Produktion: Deutschland, 1982 
(Farbe)
Barbara Moorse Workshop
Regie: Eckhart Schmidt.
Cast: Désirée Nosbusch, Bodo Staiger, Simone Brahmann, Jonas Vischer, Helga Tölle, Klaus Münster, Ian Moorse, Wilfried Blasberg, Sabine Kueckelmann, Claudia Schumann, Nikolai Hoffmann, Joachim Fuchsberger, Alexandra Beau.
89 Minuten (PAL)
Die junge Simone wartet jeden Tag auf einen Antwortbrief des angesagten Pop-Sängers "R" der "Neuen Deutschen Welle (NDW)", in den sie total vernarrt ist. Die scheue 17-jährige aus der süddeutschen Stadt Ulm vernachlässigt ob ihrer Obsession mit dem Teenie-Idol ihre Eltern, ihr Sozialleben und die Schule. In ihrer Fantasie spricht sie zu "R" und malt sich ein zukünftiges Leben mit ihrem Angebeteten aus. Als die erhoffte Antwort (natürlich) ausbleibt, macht sich Simone per Anhalter auf den Weg zum TV-Studio nach München, um "R" persönlich kennenzulernen. Und — oh Wunder! — er interessiert sich tatsächlich für sie, kümmert sich um sie, als sie nach der ersten Begegnung mit ihm ohnmächtig wird und lädt sie schliesslich ein, seine Ferien mit ihm im Haus abwesender Bekannter zu verbringen. Nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht will er sich unter einem Vorwand vom Acker machen — es ist dies der Moment, in dem bei Simone sämtliche Sicherungen endgültig durchbrennen. "R" wird sie nicht wieder verlassen... 
"Der Fan" galt bereits zum Zeitpunkt seines Kinostarts am 4. Juni 1982 in Deutschland als "Skandalfilm", dies, nachdem die Hauptdarstellerin mit luxemburgischen Wurzeln, TV-Star Désirée Nosbusch (*1965, damals tatsächlich erst 17-jährig und bereits Fernsehmoderatorin), gegen zu früh veröffentlichte und für Werbezwecke ausgeschlachtete Nacktfotos von ihr vorging. Per Gerichtsklage wollte Nosbusch (zumindest zeitweilig) ein Aufführungsverbot oder wenigstens eine Kürzung des Films erwirken, erlitt jedoch eine Niederlage und konnte den Kinostart nicht verhindern. Nach einer ausgesprochen gemächlichen ersten Stunde kulminiert der Streifen schliesslich in einem Finale, das es in sich hat — leider kränkeln Drehbuch und Inszenierung bis dahin des Öfteren, wirken bisweilen gar amateurhaft. Hauptdarsteller Bodo Staiger ("R") ist denn auch deutlich anzumerken, dass er in erster Linie Musiker (seine Musikgruppe "Rheingold" war auch für den Soundtrack zuständig) und nicht Schauspieler war. Eher von der peinlichen Sorte war auch Joachim Fuchsbergers Kurzauftritt als Fernsehmoderator (..."_round the world"...). Ab in den Englischkurs, die Herren. Regisseur und Drehbuchautor Eckhart Schmidt ("Alpha City — »Abgerechnet wird nachts«", 1985) war der Skandale (noch) nicht überdrüssig und drehte 1984-1985 noch den Schocker "Loft — Die neue Saat der Gewalt".




Angst
Originaltitel: Angst
Produktion: Österreich/Deutschland, 1983 
(Farbe)
LLC Gerald Kargl GmbH Filmproduktion
Regie: Gerald Kargl.
Cast: Erwin Leder, Robert Hunger-Bühler, Silvia Rabenreither, Karin Springer, Edith Rosset, Josefine Lakatha, Rudolf Götz, Renate Kastelik, Hermann Groissenberger, Claudia Schinko, Beate Jurkowitsch, Rosa Schandl.
76 Minuten (PAL)
Nach Verbüssung einer zehnjährigen Gefängnisstrafe für den Mord an einer älteren Frau sowie den versuchten Mord an seiner Mutter wird ein vermeintlich resozialisierter junger Mann in die Freiheit entlassen. Der sadistisch veranlagte Mörder ist mit der Situation der wiedergewonnenen Freiheit hoffnungslos überfordert und schaut sich sogleich nach neuen Opfern um. Nach einem missglückten Angriff auf eine Taxifahrerin steigt er in eine dem Anschein nach verlassene Villa ein. Als deren Bewohner — eine ältere Frau, ihr geistig und körperlich behinderter Sohn sowie ihre Tochter — nach Hause kommen, beginnt er damit, diese zu quälen und anschliessend zu töten. Mit ihren Leichen im Kofferraum fährt er daraufhin mit dem gestohlenen Auto der Familie zu einem nahegelegenen Bistro, um dort weiterzumorden.
Der Österreicher Gerald Kargl inszenierte diese bedrückend-hoffnungslose Charakterstudie eines Psychopathen und Killers, bis auf einige Kurzfilme sein einziger Spielfilm, der mit einigen intensiven und schwer ertragbaren Szenen sowie äusserst pessimistischer Grundstimmung und Botschaft aufwartet. Seine Figuren bleiben dabei namenlos; die Absenz jeglicher positiv gezeichneter Hauptfiguren "zwingt" das Publikum quasi dazu, mit dem von sadistischen Motiven getriebenen, von Darsteller Erwin Leder glaubhaft verkörperten Anti-Helden vorlieb zu nehmen. Leider bleiben bis auf diesen alle Gestalten des Films nur oberflächlich gezeichnet, womit eine noch grössere Wirkung verpasst wurde. Idee und Machart dieses Films treffen recht weitgehend jene von Michael Hanekes späteren Werken "Benny's Video" (1992) oder "Funny Games" (1997). Der argentinisch-französische Regisseur Gaspar Noé ("Irreversibel"/"Irréversible", 2002) zitiert zudem "Angst" als eine wichtige Quelle der Inspiration für sein eigenes Schaffen.



Vortex
Originaltitel: Vortex
Produktion: Deutschland, 2000 
(Farbe)
Candela Film/Fieber Film/ARRI Film+TV/Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF)/Bayerischer Rundfunk (BR)
Regie: Michael Pohl.
Cast: Hardy Krüger Jr., Harald Leipnitz, Arne Fuhrmann, Gilbert von Sohlern, Ines Gress, Maureen Havlena, Kevin Pinnoch, Philipp Weiche, Benjamin Föhr, Franz Froschauer, Oliver Stritzel, Maria Meschede.
47 Minuten (PAL)
Im Jahr 2070 werden die Strassen von bisher ungekannter Gewalt beherrscht. Um der überbordenden Gesetzlosigkeit in der Gesellschaft Herr zu werden, haben die Behörden ein neues Strafvollzugssystem eingeführt — "Vortex". Niemand weiss genau, worum es sich dabei handelt, es wird jedoch als "die Lösung" angepriesen. Als der junge Vincent in Notwehr einen bewaffneten Raubmörder erschiesst, wird er verhaftet — und prompt schuldig gesprochen. Die Strafe: Er muss den Rest seines Lebens in "Vortex" verbringen — einer unterirdischen Gefängniswelt, die jedoch in gewisser Weise nur in seinem Kopf existiert. Dort angekommen, erhält Vincent einen Mentor namens Boon, der ihn sogleich über die wichtigste Regel von "Vortex" aufklärt — einmal pro Woche muss Vincent sein "oben" begangenes "Verbrechen", einen Mord mit einer Schusswaffe, wiederholen. Die Identität seiner zu tötenden Zielperson wird ihm elektronisch übermittelt — es ist ausgerechnet sein Nachbar, zumindest dem Anschein nach ein freundlicher älterer Herr. 
Michael Pohl, der 1995 bereits einen bemerkenswerten 16-minütigen Science-fiction-Kurzfilm namens "Ausgestorben" (mit Udo Kier) über die möglichen Auswirkungen von Zeitreisen gedreht hatte, wählte für sein Spielfilm-Debut erneut das in der Umsetzung anspruchsvolle und in Deutschland sträflich vernachlässigte Filmgenre der Science-fiction aus. Obwohl es evident ist, dass hier nicht die Mittel einer grossen Hollywood-Produktion zur Verfügung standen, gelang ihm ein visuell beeindruckender, düsterer Science-fiction-Thriller, der sich zwar sowohl thematisch als auch optisch an bekannten amerikanischen Vorbildern wie "Der Blade Runner" ("Blade Runner", 1982), "Running Man" ("The Running Man", 1987) oder "Matrix — Glaube das Unglaubliche" ("The Matrix", 1999) orientiert, der jedoch trotzdem durchaus mit einer eigenen interessanten Geschichte punkten kann. Arne Fuhrmann sieht als "Boon" seinem offensichtlichen Vorbild Rutger Hauer (in "Blade Runner" in der Rolle des Androiden "Batty") so ähnlich, dass es schon ein gewisses Amusement hervorruft. Als "Kannibale" und Vincents Opfer ist hier der bekannte deutsche Filmschauspieler Harald Leipnitz (1926-2000; "Die Gruft mit dem Rätselschloss", 1964) in seiner letzten Rolle zu sehen.



Das Parfum — Die Geschichte eines Mörders
Originaltitel: Das Parfum — Die Geschichte eines Mörders
Produktion: Deutschland/Frankreich/Spanien/USA, 2006 
(Farbe)
Constantin Film Produktion/VIP 4 Medienfonds/Nouvelles Éditions de Films (NEF)/Davis-Films/Castelao Producciones/Ikiru Films/Rising Star
Regie: Tom Tykwer.
Cast: Ben Whishaw, Dustin Hoffman, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Paul Berrondo, Carmen Contreras, Jesus Del Caso, Anna Diogene, Sam Douglas, Alba Fer, Sara Forestier.
148 Minuten (NTSC)
Jean-Baptiste Grenouille kommt im Jahr 1738 auf einem stinkenden Fischmarkt in der französischen Hauptstadt Paris zur Welt. Schon als Kind bemerkt er, dass er die Gabe hat, die ihn umgebenden Gerüche viel intensiver wahrzunehmen als alle anderen Menschen. Nach einer tristen Zeit im Waisenhaus und Jahren des Frondiensts bei einem Gerber trifft Grenouille als junger Mann auf den heruntergekommenen Pariser Parfumeur Baldini, dem er zu dessen Entsetzen auf Anhieb ein begehrtes Parfum eines Konkurrenten perfekt analysiert und reproduziert. Baldini nimmt Grenouille bei sich auf und weiht ihn ein in die Geheimnisse der Parfum-Herstellung. Doch Grenouille will mehr, viel mehr: Seine Obsession für die Welt der Düfte treibt ihn dazu, die zwölf Essenzen für das "perfekte" Parfum zu konservieren. Und diese Perfektion ist für ihn der Duft junger Frauen. Völlig unfähig, zwischen "gut" und "böse", richtig oder falsch zu unterscheiden, wird er auf seiner Suche nach dem Meister-Parfum zum Mörder und tötet eine Frau nach der anderen.
Der Film des Produzenten Bernd Eichinger entstand nach dem weltweit erfolgreichen, 1985 veröffentlichten Roman "Das Parfum" des deutschen Schriftstellers Patrick Süskind, der zuvor als "unverfilmbar" galt. Als gross angelegte europäische Co-Produktion unter deutscher "Schirmherrschaft" nahm es Regisseur (und Co-Drehbuchautor, Co-Komponist) Tom Tykwer ("Lola rennt", 1998; "Cloud Atlas — Der Wolkenatlas", 2012) auf sich, das Projekt für die grosse Leinwand zu adaptieren und inszenieren. Dabei gelang ihm das Meisterstück, durch Inszenierung und Kameraführung so nah als nur irgendwie möglich ohne den Einsatz echter Gerüche die Manifestation eben solcher auf der Leinwand darzustellen. Als weiterer Glücksgriff entpuppte sich die Wahl des Hauptdarstellers: Ben Whishaw, obgleich von Kritikern als "zu hübsch" für die Rolle des Buch-Grenouilles beschrieben, verkörpert den Hauptcharakter mit hoher Überzeugungskraft, Intensität und Leinwand-Präsenz; mitunter stiehlt er sogar gestandenen Schauspieler-Grössen wie (dem ebenfalls gross aufspielenden) Dustin Hoffman die Schau. So wurde eine der teuersten Filmproduktionen Deutschlands und Europas (das Budget betrug über 50 Millionen Euro) der jüngeren Vergangenheit nicht nur zu einer überzeugenden Roman-Adaption, sondern auch zum Beweis, dass deutsches (Genre-)Kino heuer noch immer zu (effektiv seit Stummfilmtagen ungesehenen) Grosstaten fähig ist.



Cargo
Originaltitel: Cargo
Produktion: Schweiz, 2006-2009 
(Farbe)
Atlantis Pictures/Centauri Media/Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG)/Teleclub AG/Egli Film/Ascot Elite Entertainment Group/Telepool
Regie: Ivan Engler & Ralph Etter.
Cast: Anna-Katharina Schwabroh, Martin Rapold, Regula Grauwiller, Claude-Oliver Rudolph, Yangzom Brauen, Michael Finger, Pierre Semmler, Gilles Tschudi, Maria Boettner, Noa Strupler.
112 Minuten (NTSC)
Im Jahr 2267 ist die Erde unbewohnbar, und fast die gesamte Menschheit drängt sich auf einer riesigen Raumstation im Orbit. Erlösung verheisst der Lichtjahre entfernte, paradiesische Planet Rhea, auf dem sich einige Privilegierte niederlassen konnten. Dorthin hofft auch die junge Ärztin Laura eines Tages zu gelangen, um ihre Schwester wiederzusehen. Um das notwendige Geld zu beschaffen, heuert sie auf dem heruntergekommenen Frachtschiff "Cassandra" an, das Baumaterial zum 4.3 Lichtjahre entfernten Sternensystem Proxima Centauri (unserem nächsten Nachbar im All) bringen soll. Doch an Bord der Cassandra geht es nicht mit rechten Dingen zu, und das Raumschiff steuert auch nicht sein vermeintliches Ziel an.
"Cargo", der erste Schweizer Weltraum-Science-fiction-Film, kostete knapp 5 Millionen Schweizer Franken, kann visuell aber auch mit zehnmal teureren Hollywood-Produktionen mithalten. Spezialeffekte, Sets und Produktionsdesign wissen weit über den kühnsten Erwartungen zu begeistern. Dafür verbringt man zwei Stunden in einer bitterernsten, düsteren Zukunftsvision, deren deprimierende Atmosphäre und gemächliches Erzähltempo wohl nicht jedermanns Sache sind. Die Hauptrollen spielen Anna-Katharina Schwabroh und Martin Rapold, die beide schon in "Tatort" zu sehen waren, eine Nebenrolle (als Japanerin) verkörpert die hiesige Tibet-Aktivistin, Autorin und Schauspielerin Yangzom Brauen. Die gesamte Cast liefert glaubwürdige Darstellungen ab, wobei Dialoge eher spärlich eingesetzt werden.
Das Regiegespann Ivan Engler/Ralph Etter nahm zweifellos Anleihen bei wirklich zahllosen Sci-fi-Filmen (Parallelen sind erkennbar etwa zu "2001", "2010", "Alien", "Outland", "Lautlos im Weltraum", "Operation Jupiter", "Moontrap" und "Matrix"), trotzdem ist der Film originell genug, um nicht als Plagiat genannter Streifen durchzugehen. Alles in allem ein erstaunlicher und absolut sehenswerter Science-fiction-Film, der sich hinter neueren europäischen SF-Filmen wie "Dante 01" oder gar "Sunshine" nicht verstecken muss. Leider kann man sich nur schwer vorstellen, wie der Film mit seinem beschränkten Kinolauf seine Produktionskosten wieder einspielen könnte.




Sennentuntschi
Originaltitel: Sennentuntschi
Produktion: Schweiz/Österreich/Frankreich/Deutschland, 2009 
(Farbe)
Kontraproduktion AG/Superfilm/C-Films/Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG)/Bundesamt für Kultur (BAK)/Zürcher Filmstiftung/Hans G. Syz/Constantin Film AG/Österreichisches Filminstitut/Österreichischer Rundfunk (ORF)/Avventura Films SA/Constantin Film Produktion
Regie: Michael Steiner.
Cast: Roxane Mesquida, Carlos Leal, Andrea Zogg, Joel Basman, Rebecca Indermaur, Peter Jecklin, Ueli Jäggi, Thomas Landl, Hanspeter Müller-Drossart, Florian Nussbaumer, Nicholas Ofczarek, Anne-Marie Sievi, Stephanie Berger.
115 Minuten (NTSC)
Als eine völlig verängstigte und verwahrloste junge Frau auf dem Polizeiposten eines Graubündner Bergdorfs Zuflucht und Schutz vor den wütenden Dorfbewohnern sucht, beginnt ein Polizist, die Ereignisse vor ihrem Auftauchen zu rekonstruieren. Die Dörfler glauben derweil, sie sei das Sennentuntschi — und deshalb der Teufel in Menschengestalt.
Der zweite anständige Horrorfilm aus der Eidgenossenschaft in nur drei Jahren (nach "Marmorera", 2007), und wie dieser erneut in gewöhnungsbedürftigem, jedoch stimmigem Bündner Dialekt gedreht. 
Die Lichter für den Film waren eigentlich bereits schon aus, da Steiners Produktionsfirma Kontraproduktion AG das Geld ausgegangen war. Es drohte das Szenario eines unvollendeten Films, dessen Produktion bereits mehrere Millionen Franken verschlungen hatte. Nach langem Ringen um die Finanzierung sprang schliesslich die Constantin Film ein und rettete, was zu retten war — so konnte der aus diversen Gründen skandalumwitterte, schliesslich 5.5 Millionen Schweizer Franken teure Film (damit einer der teuersten Filme in der Schweizer Kinogeschichte) doch noch seine Premiere feiern auf dem Zurich Film Festival 2010. Der chaotischen Produktionsgeschichte zum Trotz brachte Regisseur Michael Steiner einen wirklich überraschend gelungenen, handwerklich sauberen und technisch hervorragenden Film in toller Alpen-Szenerie zustande. Die Schauspieler, allen voran die Französin Roxane Mesquida als naiv-unheimliches "Sennentuntschi", machen ihre Sache glaubhaft bis exzellent. Die Geschichte, die diese Alpensage erzählt, ist wiederum nicht jedermanns Sache.



Nydenion — Krieg der Kolonien
Originaltitel: Nydenion — Krieg der Kolonien
Produktion: Deutschland, 1995-2010 
(Farbe)
Magna Mana Production GmbH/Magna Mana FX/Hessen-Invest Film
Regie: Jack Moik.
Cast: Jack Moik, Annette Schmiedel, Marcos Koutelas, Stefanie Dal Canton, Andreas Arens, Axel Mertes, Axel Loh, Andreas Konzack, Manuel Francescon, Hank William Rozema, Benjamin Goetzky, Marcus Grebe.
90 Minuten (NTSC)
Im 22. Jahrhundert führen Kolonien der Menschheit im Weltraum erbitterte Handelskriege, die Erde ist nur noch ein ferner Traum. Der aus dem Militär des Sykon-Imperiums ausgetretene Ex-Kampfflieger Rick Walker nimmt den Auftrag an, eine wichtige Botschafterin namens Cynthia Perkins zu geheimen Friedensverhandlungen an Bord eines Raumschiffs zu bringen. Doch die Friedensverhandlungen werden sabotiert — auch von Leuten aus den eigenen Reihen. Dort schwingt unter anderem Walkers einstiger Kommandant und gegenwärtiger Erzfeind, der degradierte Ex-General Gallagher, das Zepter. Er schickt Kommandos los, um Walker und seine Klientin zu töten. Nach einem Treffer stürzen die beiden auf dem abgelegenen Planeten Nydenion ab. Nun bleiben ihnen nur noch drei Stunden, um eine Bombe zu entschärfen, die an Bord des Raumschiffs gebracht wurde, auf dem um den Frieden gerungen wird. 
Dieser über etwa 15 Jahre (!) hinweg entstandene deutsche Science-fiction-Film ist ein Projekt von Science-fiction-Fans, Hobby-Filmern und Studenten — was man nach seiner Sichtung wohl nur schwerlich für möglich hielte. Spezialeffekte, Sets und Ausstattung wirken professionell, Schwächen gibt es bei den Schauspielern (Regisseur Jack Moik spielt auch gleich die Hauptrolle des harten, desillusionierten Weltraum-Haudegens Rick Walker, daneben war er noch Drehbuchautor, Produzent und Komponist) und allenfalls der Bildqualität, die oft schwankt und der anzusehen ist, dass hier kein 35-mm-Ausgangsmaterial vorhanden war. Die Geschichte ist aus Versatzstücken diverser bekannter Vorbilder zusammengereimt, viele Bilder erinnern explizit an George Lucas' Weltraum-Saga "Krieg der Sterne". Sehr gut gelangen die Spezialeffekte, die zwar auch von stark schwankender Qualität sind, doch bemerkenswert aufwendig und kreativ umgesetzt wurden, wobei erfreulicherweise weitgehend auf altbewährte Modell-Technik gesetzt wurde und CGI relativ verhalten eingesetzt wird — handgemachte Spezialeffekte dieser Art sind in modernen Filmen ansonsten kaum noch zu sehen. "Nydenion" war wohl kein "Null-Budget"-Film, wie manche Reviews es ihm unterstellen, sondern verursachte gemäss der "Internet Movie Database" im Laufe der Produktionszeit doch beachtliche 4 Millionen US-$ an Kosten, die allerdings gut investiert wurden.



Cloud Atlas — Der Wolkenatlas
Originaltitel: Cloud Atlas  /  Yun tu  (雲圖)
Produktion: Deutschland/USA/Hongkong/Singapur/China, 2011-2012 
(Farbe)
X-Filme Creative Pool/A Company Filmproduktionsgesellschaft/ARD Degeto Film/Five Drops/Cloud Atlas Productions/Anarchos Pictures/Media Asia Group/Ascension Pictures/Dreams of the Dragon Pictures
Regie: Tom Tykwer, Andy Wachowski (Lilly Wachowski) & Lana Wachowski (Larry Wachowski).
Cast: Tom Hanks, Halle Berry, Susan Sarandon, Hugh Grant, Hugo Weaving, Jim Broadbent, Jim Sturgess, Doona Bae (Doo-Na Bae), Ben Whishaw, Keith David, James D'Arcy, Xun Zhou, Martin Wuttke, Götz Otto, Niall Greig Fulton.
172 Minuten (NTSC)

Im Jahr 1849 — im Filmsegment "The Pacific Journal of Adam Ewing" — schützt der amerikanische Anwalt Adam Ewing einen karibischen Sklaven, der auf der Flucht als blinder Passagier an Bord eines Segelschiffs mit Kurs auf England gelangte. Im Gegenzug rettet dieser ihm das Leben. 1936, "Letters from Zedelghem": Ein homosexueller junger Komponist wird von seinem Idol, einem alternden Meistermusiker, aufgenommen und hilft diesem bei der Vollendung seines letzten Werks. 1973, in "Half-Lives: The First Luisa Rey Mystery", versucht die mutige Journalistin Luisa, einen absichtlich inszenierten Atomunfall zu verhindern. 2012 erkennt der verschuldete Verleger Cavendish in "The Ghastly Ordeal of Timothy Cavendish" erst in einer geschlossenen Anstalt, was wahre Freiheit bedeutet. Im Jahr 2144 ("An Orison of Sonmi~451") wehrt sich die geklonte Kellnerin Sonmi im gigantischen "Neo-Seoul" gegen ihr vorbestimmtes Diener-Schicksal, schliesst sich dem Widerstand gegen das herrschende System an und entwickelt einen eigenen Willen. Schliesslich entdeckt im Jahr 2346, 106 Jahre nach dem Untergang der menschlichen Zivilisation, ein Schafshirte mit Hilfe einer heimatlosen Aussenseiterin, deren Volk die Technologie bewahren konnte, wer die Göttin Sonmi seines Stammes wirklich war, und findet nach dem Tod seiner Familie durch einen Clan von Kannibalen eine neue Heimat ("Sloosha's Crossin' an' Ev'rythin' After"). Ihrer aller Schicksale sind miteinander verbunden...
Regisseur Tom Tykwer, der bereits 2006 mit "Das Parfum — Die Geschichte eines Mörders" die Fertigkeit bewies, eine komplexe literarische Vorlage auf überzeugende Weise für die Leinwand zu adaptieren, und die Wachowski-Geschwister, Schöpfer der "Matrix"-Trilogie, taten sich hier zusammen, um den 2004 erschienenen Roman "Der Wolkenatlas" des englischen Schriftstellers David Mitchell zu verfilmen. Das Resultat ist ein epischer Bilderbogen, ein 172-minütiger Kinofilm, der sechs miteinander verknüpfte, über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten verteilte Geschichten von Menschenschicksalen in verschachtelter Struktur als Science-fiction-Drama erzählt. Ob dies "visionäres Filmemachen", wie manche Kritiker es nannten, darstellt, muss wohl jeder Zuschauer, jede Zuschauerin für sich selbst entscheiden, mit Sicherheit ist es hochgradig ambitioniert, unkonventionell und auch ausserordentlich gut gelungen. Die Hauptdarsteller, darunter namhafte Stars wie Tom Hanks ("The Green Mile", 1999), Halle Berry ("X-Men — Der Film", 2000), Susan Sarandon ("Begierde", 1983), Hugh Grant ("Der Biss der Schlangenfrau", 1988) und Hugo Weaving ("Matrix"- und "Herr-der-Ringe"-Trilogien, 1999-2003 respektive 2001-2003), spielen allesamt in fünf bis sechs unterschiedlichen Rollen in allen Filmsegmenten mit, was sowohl ihre eigene Wandlungsfähigkeit als auch die maskenbildnerischen Meisterleistungen dahinter eindrücklich demonstriert. Auch andere Rollen sind mit interessanten Akteuren und Aktricen besetzt, u.a. sind Ben Whishaw ("Das Parfum"), die Koreanerin Doo-Na Bae ("The Ring Virus", 1999) und die Chinesin Xun Zhou ("Flying Swords of Dragon Gate", 2011) zu sehen. "Cloud Atlas" war mit Kosten von 102 Millionen US-$ sowohl eine der teuersten "Independent"-Filmproduktionen der Kinogeschichte als auch einer der teuersten je gedrehten deutschen Filme; leider waren die weltweiten Kino-Einspielergebnisse relativ lauwarm. Dies sollte einen jedoch auf keinen Fall davon abhalten, dieses faszinierende Werk zu begutachten. "Cloud Atlas" ist grosses Kino.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen